[290] Militärtarife (military tariffs; tarifs militaire; tariffe militari). In den Ländern mit Privateisenbahnen wird diesen bei Erteilung der Genehmigung die Verpflichtung auferlegt, alle Transporte für das Heer zu ermäßigten Sätzen auszuführen, und auch in den Ländern mit Staatsbahnen bestehen für das Heer besondere Tarifsätze, die niedriger sind als diejenigen für den Zivilverkehr.
In Deutschland ist der M. in der Militäreisenbahnordnung enthalten. (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. Januar 1899.) Auf Grund des Gesetzes über die Kriegsleistungen und über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden (s. Kriegsleistungen) hat der Bundesrat diesen Tarif festgesetzt, der für die Beförderung der bewaffneten Macht, der Schutztruppen und der Kriegsbedürfnisse (des Materials des Landheeres, der Marine und der Schutztruppen) im Frieden wie im Krieg gilt. Er wird auch auf die Angehörigen und die Sendungen der freiwilligen Krankenpflege angewendet. Er enthält außer den Fahrpreisen und Frachtsätzen Bestimmungen über die Vergütungen für die leihweise Hergabe von Betriebsmaterial an die Militärverwaltung im Krieg. Der Tarif gilt für alle Eisenbahnen Deutschlands, die mit Lokomotiven oder anderen mechanischen Motoren betrieben werden. Das Reichseisenbahnamt kann für einzelne Bahnen Erleichterungen gegenüber den Bestimmungen des M. oder gänzliche Befreiung davon zulassen. Der Fahrpreis beträgt bei der Beförderung von geschlossenen Truppen oder Marineteilen, sowie einzeln kommandierten, einberufenen oder[290] entlassenen Militärpersonen 3 Pf/km für Offiziere und obere Beamte der Militärverwaltung und 1 Pf/km für Mannschaften vom Feldwebel abwärts. Bei Urlaubsreisen haben die Mannschaften vom Feldwebel abwärts 1 Pf/km zu entrichten. Die Benutzung von Schnellzügen unterliegt gewissen Beschränkungen. Für Kranke, soweit sie sitzend befördert werden können, ist zu zahlen: für Offiziere 3 Pf/km, bei Mannschaft vom Feldwebel abwärts 1∙5 Pf/km. Für liegend zu befördernde Kranke sind 30 Pf/km für den 2- und 3achsigen Wagen, 40 Pf/km für den 4achsigen Wagen zu zahlen. Die Gepäckfracht beträgt 0∙3 Pf/km für je 10 kg, doch ist das etatmäßige Gepäck der Militärpersonen, im allgemeinen 25 kg auf den Kopf, frei zu befördern. Pferde werden zum Satze von 13 Pf/km für 1 Pferd, je 10 Pf/km für 2, je 7 Pf/km für 3 und je 6 Pf/km für 4 Pferde befördert. In Wagenladungen, also wenn mehr als 4 Pferde befördert werden, beträgt der Satz 30 Pf/km für den Wagen einschließlich 3 Begleiter. Derselbe Satz gilt für sonstiges Großvieh und Kleinvieh in Wagenladungen, wobei noch 6 M. Abfertigungsgebühr zu entrichten sind. Zweirädrige Fahrzeuge werden gegen eine Vergütung von 15 Pf/km für 1000 kg (dazu 1∙50 M. Abfertigungsgebühr), vierrädrige Fahrzeuge zu den Sätzen für Stückgut befördert. Für Geschütze und Fahrzeuge im Truppenverband sind, je nachdem ein oder mehrere Fahrzeuge verladen werden, 25 oder 15 Pf/km zu entrichten. Stellt sich Wagenladungsfracht billiger, so ist diese zu berechnen. Sie beträgt bei Wagen bis 6000 kg Befrachtung 20 Pf/km, bei größeren Ladungen 30 Pf/km; dazu kommt eine Abfertigungsgebühr von 6 M. für den Wagen. Der Stückgutsatz beträgt 9 Pf/km für 1000 kg, der Eilgutsatz das Doppelte. Für 1000 kg Stückgut ist 1∙50 M., für 1000 kg Eilgut 2 M. Abfertigungsgebühr zu zahlen. Für Militärsonderzüge werden im Frieden mindestens 4 M/km, für den ganzen Zug mindestens 90 M. berechnet, wenn nicht die nach den betreffenden Sätzen des Tarifs zu berechnende Vergütung höher ist. Muß wegen militärischer Transporte eine Strecke, auf der sonst nachts kein Betrieb stattfindet, in der Nacht bewacht werden, so ist dafür der Betrag von 2 M/km zu entrichten.
Der M. enthält auch besondere Vorschriften für Kriegshunde, Militärbrieftauben und Militärluftfahrzeuge.
Ferner enthält der M. die Vergütungen für Leistungen der Eisenbahnen bei militärischen Übungen im Verladen von Truppen u.s.w., für die Beförderung von leeren Wagen, Lokomotiven u.s.w., die der Heeresverwaltung gehören, sowie von Wagen der Eisenbahnverwaltung, die auf Bestellung der Heeresverwaltung leer zu befördern sind.
Für die leihweise Hergabe von Betriebsmitteln der Vollspurbahnen hat die Heeresverwaltung im Kriege zu entrichten: für Lokomotiven, 3- und mehrfach gekuppelt 40 M., 2fach gekuppelt 30 M., für leichtere Lokomotiven 20 M., für Personenwagen M. 3∙50, für gedeckte Güterwagen M. 1∙50, für offene Güterwagen mit Schutzdecke M. 1∙25, für offene Güterwagen ohne Schutzdecke und alle sonstigen Eisenbahnwagen 1 M. für den Tag.
Der österreichische M. (gültig vom 1. Mai 1905, Ersatz für den Tarif vom 1. Januar 1898) vertritt Vertragstelle zwischen den beteiligten Ministerien einerseits und den Eisenbahnverwaltungen anderseits; er kann ganz oder in einzelnen Teilen mit einjähriger Frist, jedoch nur am 1. Januar, gekündigt werden.
Die Gebühren für Militärtransporte werden im Frieden in der Regel bei Abfertigung der Transporte entrichtet, können aber auch gestundet werden. Hierüber bestehen besondere Vorschriften. Gestundete Gebühren sind innerhalb 4 Wochen zu bezahlen; bei Überschreitung dieser Frist werden sie nach dem Zinsfuß der österreichisch-ungarischen Bank verzinst. Bei Mobilmachung ist grundsätzlich wöchentlich zwischen Militär- und Eisenbahnverwaltung abzurechnen.
Auf Bahnstrecken, die dem öffentlichen Verkehr nicht bedingungslosfreigegeben sind, werden Militärtransporte nur in Sonderzügen abgefertigt.
Soweit der M. und die Vorschrift für den Militärtransport auf Eisenbahnen nicht besondere Bestimmungen enthalten, gelten für die Militärtransporte das Betriebsreglement und die Bestimmungen, die die Eisenbahnverwaltungen für den öffentlichen Verkehr erlassen haben.
Der M. zählt alle Militärpersonen und die Reisen auf, für die er gilt, enthält dann Bestimmungen über den Ausweis, den diese Militärpersonen vorzuzeigen haben, damit der M. auf sie angewendet werden kann.
In bezug auf den Fahrpreis sind die Bahnen in 2 Gruppen eingeteilt; bei Gruppe I beträgt der Fahrpreis für Militärpersonen 2∙4 h in der I., 1∙8 h in der II. und 1∙2 h in der III. Klasse für 1 km; bei Gruppe II sind die entsprechenden Beträge 3∙2 h, 2∙4 h und 1∙6 h. Für Reisegepäck wird in beiden Gruppen 0∙8 h für jede angefangenen 50 kg und für 1 km erhoben. Die Gebühr wird nach Zonen von 10 km erhoben, u.zw. teils für das Ende, teils für die Mitte der Zone berechnet. Wegen der Benutzung der Schnellzüge gelten gewisse Einschränkungen.[291]
Bei Militärtransporten mit Sonderzügen wird die Gebühr für die beförderten Personen nach diesen Sätzen, diejenige für die beförderten Güter, Tiere, Fahrzeuge u.s.w. nach den Sätzen für Militärfrachtgüter berechnet. Die Mindestgebühr für einen Militärsonderzug beträgt K 4∙80 für 1 km oder 40 K im ganzen. Auf Strecken, wo kein regelmäßiger Nachtdienst stattfindet, ist, wenn nachts Militärsonderzüge verkehren sollen, für die Bewachung der Strecke eine Gebühr von 2 K für 1 km zu entrichten.
In bezug auf die Beförderung von Militärgütern enthält der M. eingehende Vorschriften über die Güter, für die er anzuwenden ist, über die Beförderung von lebenden Tieren, Fahrzeugen, Sprengstoffen, sperrigen Gütern u. dgl., ferner von Lokomotiven und Fahrzeugen auf eigenen Rädern. Für Militärfrachtgüter beträgt die Gebühr für 100 kg und 1 km:
Für Militäreilgüter beträgt der Satz für 100 kg und 1 km 1∙6 h; er wird bei gewissen Gütern auf größere Entfernungen auf 1∙2 und 1 h herabgesetzt. Bei einer Anzahl von Bahnen sind außerdem gewisse Zuschläge zu entrichten.
Gütersendungen der freiwilligen Krankenpflege und ähnliche Sendungen werden während der Mobilmachung auf Kosten der Militärverwaltung zu den Sätzen des M. befördert.
In Frankreich bestimmt der Art. 54 des Bedingnishefts, daß Soldaten, die einzeln oder in Trupps reisen, sei es im Dienst, auf Urlaub oder nach ihrer Entlassung in die Heimat, für sich, ihre Pferde und ihr Gepäck nur ein Viertel des tarifmäßigen Fahrpreises oder Frachtsatzes zu zahlen haben. Nach Entscheidungen der Gerichte und des Staatsrats ist diese Bestimmung anzuwenden außer auf die aktiven Militärpersonen auf alle sonstigen Angehörigen der Heeresverwaltung, sowie bei Mobilmachungen und sonstigen Truppenzusammenziehungen auf alle, die zum Dienste im Heere einberufen werden. Der ermäßigte Tarif gilt auch für die Angehörigen der Flotte und für eine Anzahl der Angestellten der Kolonialverwaltung, die zum Teil mit der Heeresverwaltung vereinigt ist. Für jede Militärperson werden 30 kg Freigepäck gewährt.
Über die Beförderung von Kriegsgerät mit der Eisenbahn bestehen Verträge zwischen den großen Eisenbahnverwaltungen und dem Kriegsminister; sie sind im Jahre 1891 geschlossen und seitdem durch zahlreiche Nachträge ergänzt worden. Die Eisenbahngesellschaften sind verpflichtet, in ganz Frankreich alles Heergerät, Waren und Verpflegungsbedarf zu befördern, die der Heeresverwaltung gehören und die im Frieden an Magazine und sonstige militärische Anstalten oder von Lieferanten versendet werden. Die Heeresverwaltung ist ihrerseits verpflichtet, den Eisenbahnen alle diese Transporte zu überweisen. Die Militärgüter können als Frachtgut, Eilgut, ausnahmsweise auch als Expreßgut aufgegeben werden. Die Menge der täglich versendeten Militärgüter soll eine gewisse Höchstgrenze nicht überschreiten. Die Verträge setzen ferner die Lieferfristen fest und enthalten Bestimmungen über die Beförderung von gefährlichen Gütern und für die Entschädigung bei verlorenen und beschädigten Gütern. Außer zu den Frachtsätzen, die in diesen Verträgen festgesetzt sind, kann die Heeresverwaltung aber auch Güter zur Beförderung zu den Sätzen des öffentlichen Verkehrs befördern lassen; es entfallen dann die Einschränkungen wegen der Höchstmengen u.s.w.
Bei Zusammenziehungen von Truppen im Falle teilweiser oder gänzlicher Mobilmachung sind die Eisenbahnverwaltungen auf Grund des Art. 54 des Bedingnishefts weiter verpflichtet, der Regierung alle ihre Transportmittel zur Hälfte des tarifmäßigen Preises zur Verfügung zu stellen. Diese Bestimmung wird noch durch ein Gesetz aus dem Jahre 1873 und durch das Kriegsleistungsgesetz ergänzt.
In Belgien (Art. 42 des cahiers des charges), den Niederlanden (Ges. vom 9. April 1875) und in der Schweiz (Ges. vom 23. Dezember 1872) erfolgt die Beförderung von Militär, Pferden und Kriegsbedürfnissen zum halben Preis.
In England ist der M. durch Gesetz (Cheap Trains Act von 1883) festgesetzt. Darnach sind die Eisenbahngesellschaften verpflichtet, mit allen Zügen, mit denen Reisende befördert werden, Offiziere und Soldaten im öffentlichen Dienst, sowie deren Gepäck, Geräte u.s.w. zu befördern. Der Fahrpreis beträgt bei Transporten unter 150 Personen drei Viertel der allgemein gültigen Sätze; bei stärkeren Transporten ist für die über 150 Personen überschießenden Militärpersonen nur die Hälfte der Sätze für den öffentlichen Verkehr zu zahlen. Die Gepäckfracht beträgt 2 Pence für 1 t und 1 englische Meile (10 Pf/km für 1 t). Die näheren Bedingungen in bezug auf Militärtransporte sind mit dem Staatssekretär zu vereinbaren.
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