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Johann Georg Sulzers »Allgemeine Theorie der Schönen Künste« war die erste und für lange Zeit einzige Enzyklopädie im deutschen Sprachraum, die das weite Feld der Ästhetik in lexikalischer Form zu systematisieren und darzustellen versuchte. Der Herausgeber und Hauptautor nahm die Arbeit an dem Nachschlagewerk 1753 auf. Sie dauerte mehr als zwanzig Jahre. 1771 erschien der erste Band, der zweite und letzte Band drei Jahre später.

Sulzer stammte aus der Schweiz. Er wurde 1720 in Winterthur als Sohn eines Ratsherren geboren, kam nach dem Tod seiner Eltern nach Zürich und studierte am dortigen akademischen Gymnasium Theologie, Philosophie und Mathematik. Zu seinen Lehrern gehörten die bekannten Dichtungstheoretiker Johann Jakob Breitinger und Johann Jakob Bodmer, die großen Einfluß auf ihn ausübten. Bald nach dem Abschluß des Studiums ging Sulzer 1743 als Hofmeister nach Magdeburg. 1747 siedelte er nach Berlin über, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1779 wirkte. Er lehrte Mathematik am Joachimsthalschen Gymnasium, unterhielt Kontakte zu vielen Dichtern und Gelehrten, war Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften und wurde 1775 zum Direktor ihrer philosophischen Klasse berufen.

Sulzer veröffentlichte zahlreiche Schriften zu naturwissenschaftlichen, pädagogischen und moralphilosophischen Themen. Auf seine Zeitgenossen wirkte er vor allem durch seine Wissenschaft der Empfindungen und durch seine kunsttheoretische Arbeit, die auf ihr basierte.

Die Arbeit an der »Allgemeinen Theorie der Schönen Künste« entwickelte sich aus Sulzers Plan, Jacques Lacombes »Dictionnaire portatif des Beaux-Arts« (Paris 1752) ins Deutsche zu übersetzen. Er übernahm dann jedoch nur wenige Texte aus diesem Wörterbuch und verfaßte die Mehrzahl der Artikel seiner Enzyklopädie selbst. Der Anteil anderer Verfasser ist bis heute nicht restlos geklärt. Von Christoph Martin Wieland stammen die Artikel »Naiv« und »Hirtengedichte«, von Bodmer rund zwanzig Artikel, darunter der über das »Politische Trauerspiel«. Für die fachmusikalischen Artikel zog Sulzer den Bachschüler Johann Philipp Kirnberger hinzu, dessen Aufgabe später Johann Abraham Peter Schulz übernahm (s. dazu auch die »Vorrede« zum zweiten Band).

Neben der Vorrede zum ersten Band nutzte Sulzer vor allem die Hauptartikel, um seine philosophische Ästhetik zu entwickeln. Sie erwies sich als ein wichtiger Wendepunkt in der Geschichte des Fachs zwischen Baumgarten und Kant. Zugleich fixieren die zahlreichen Artikel den Kanon des ästhetischen Wissens im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Neben dem theoretischen Stellenwert der Kunsttheorie Sulzers in der Geschichte der Philosophie und Ästhetik liegt die Bedeutung der Enzyklopädie vor allem in dieser dokumentarischen Leistung. Das Lexikon trug auf einzigartige Weise das ästhetische Wissen der deutschen Aufklärung zusammen, hielt es in Artikeln fest, die trotz ihres inneren Zusammenhangs stets auch für sich verständlich blieben, und machte die Kenntnisse und Anschauungen der Aufklärer damit auch neu diskutierbar. Die oft zitierte Rezension des jungen Goethe in den »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« – der frischgebackene Autor nutzte sie, um in heftiger Abgrenzung von Sulzer eigene Positionen zu formulieren – und die ebenfalls aus dem Blickwinkel der literarischen Opposition vorgetragenen Einwände von Herder und Merck sind nur die bekanntesten Beispiel dafür. Kant urteilte anders über den »vortrefflichen Sulzer« und Schiller fand bei ihm vieles von seinem Projekt einer »ästhetischen Erziehung des Menschen« vorbereitet.

Die Kritik der später zu Klassikern avancierenden Sturm und Drang-Autoren war dem Nachruhm Sulzers ohne jeden Zweifel abträglich, den sensationellen, bis weit ins 19. Jahrhundert hinein reichenden Erfolg des Werks konnte sie jedoch nicht schmälern. Noch parallel zur Erstausgabe erschien ein zweite Ausgabe in vier Teilen (Leipzig 1773/1774). Nach Sulzers Tod brachte Christian Friedrich von Blanckenburg eine um ausführliche bibliographische Zusätze vermehrte vierteilige Neuausgabe heraus, die mehrfach aufgelegt wurde (Leipzig 1786/87; 21796-98. Registerband 1799). Nochmals erweitert wurde das Werk schließlich durch Nachträge, die Johann Gottfried Dyck und Georg Schatz in acht Teilen veröffentlichten (Leipzig 1792-1808). Für die weite Verbreitung und große Wirkung des Werkes spricht, daß Gottfried Keller 1853 die »stattlichen Bände« in seinem Roman »Der grüne Heinrich« immer noch als allgegenwärtig beschrieb.


Die elektronische Neuausgabe stützt sich auf die Originalausgabe, die 1771 und 1774 in Leipzig im Verlag Weidmanns Erben und Reich erschien. Ihr Wortlaut wird unverändert und ungekürzt wiedergegeben. Während die Artikel in der Buchausgabe sowohl von Marginalien als auch von Fußnoten begleitet werden, wurden in der elektronischen Ausgabe beide Anmerkungsformen zu Endnoten zusammengefaßt und durchgezählt.

Bei Recherchen im Text ist zu bedenken, daß Sulzer als Schweizer anstelle des »ck« lediglich einfaches »k« setzt und daß die Orthographie der zugrundegelegten Originalausgabe auch sonst weit mehr Eigentümlichkeiten aufweist als andere Werke der Zeit. Auch die Option »Schreibweisentolerante Suche« kann deshalb nicht in jedem Fall weiterhelfen.