Kali [1]

[292] Kali (Ind. M.), die eine Hälfte der Bhawani oder Parwati, der Gemahlin des Schiwa, welche andere Mythen zu einer zweiten Gemahlin dieses Gottes machen, obwohl sie Eins mit derselben ist, und sich nur als das böse Princip der Parwati offenbart, während Bhawani das gute Princip der Parwati ist. Sie ist die Rächerin, Bestraferin des Bösen, daher auch auf das Schrecklichste mit allen Attributen der Vernichtung ausgerüstet, schwarz von Farbe, mit Flammen umgeben, mit drei Armen, vier mächtigen Hauern, weit aus dem Munde hervorstehenden Zähnen, mit sechszehn Armen, welche das Symbol ihres Rächeramtes tragen, dargestellt. Sie stirbt nach jedem Götterjahre einmal, dann nimmt Schiwa einen von ihren Knochen, reihet denselben auf eine Schnur und trägt sie um den Hals, auf welche Weise er schon ein Halsband von 21 Knochen hat. Ihr werden viele Tausende von Thieren (Ziegen und Büffelkälber) jährlich geopfert, auch Menschen schlachtet man ihr, doch sind die Umstände, unter denen dieses geschieht, in den heiligen Religionsbüchern der Indier sehr erschwerend angegeben, so dass man nicht undeutlich die Absicht erkennt, der Grausamkeit Einhalt zu thun, wiewohl bei dem Fest des Jagrenat noch immer Tausende von frommen Schwärmern sich unter die bluttriefenden Räder des Wagens dieses Götzen werfen, um sich von denselben zermalmen zu lassen, und die Opferungen der Wittwen, von den heiligen Büchern geboten, doch eigentlich auch zu den Menschenopfern gezählt werden müssen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 292.
Lizenz:
Faksimiles: