Neuntes Kapitel
Bemerkungen über die vorangegangene Zwiesprache, nebst einem niederträchtigen Plane gegen unsern Helden, den jeder Verehrer der Größe abscheulich finden wird.

[112] So bewirkte diese Zwiesprache, die wir ehelich genannt haben, ob sie gleich in Wahrheit nicht nach den Süßigkeiten des Ehestandes schmeckt, einen Entschluß, der mehr klug als fromm war und der gewiß beiden Teilen viel Unannehmlichkeiten erspart haben würde, hätten sie ihn nur immer genau befolgt. Aber ihr Haß war so groß und unerklärbar, daß sie keinen Zug von guter Laune auf ihren Gesichtern wahrnehmen konnten, ohne den Versuch zu machen, ihn zu verfinstern. Dies brachte sie auf so viele Mittel, sich einander zu plagen, daß sie höchst selten einen ruhigen Tag erlebten.

Dies ist auch der Grund von so vielen Mißhelligkeiten unter solchen Eheleuten, die unversöhnlichen Haß für Gleichgültigkeit nehmen. Denn warum sollte sonst Corvin, der in einem ewigen Wechsel von Intrigen lebt und nie mit seinem Weibe tändelt und kurzweilt, sich alle nur ersinnliche Mühe geben, jede Intrige seines Weibes zu plantieren? Warum schlüge Camilla sonst die angenehmste Einladung aus, um ihren Mann zu Hause in Gegenwart seiner Gäste zu prostituieren? Kurz, woher sollten sonst alle Mißhelligkeiten, Streitigkeiten und Vorwürfe zwischen Eheleuten, die sich nicht mehr lieben, entstehen, wenn nicht aus dem edlen Verlangen, sich einander um eine lächelnde Miene zu bringen?

Wir hielten es für schicklich, dem Leser einen kleinen Vorgeschmack von der häuslichen Glückseligkeit unseres Helden zu geben, um ihm zu zeigen, daß große Menschen eben denselben Unbequemlichkeiten unterworfen sind, die kleine Menschen dulden müssen; und daß alle Helden folglich, ungeachtet der Mühe, die sie und ihre Schmeichler sich geben, das Gegenteil zu behaupten, dennoch mit uns aus einem Teige geknetet sind, und daß sie sich ferner bloß im Punkte der ungeheuren Größe oder, wie der Pöbel es fälschlich nennt, im Punkt der Spitzbüberei von anderen Erdensöhnen unterscheiden. Damit wir uns also nicht zu lange bei solchen kleinlichen Szenen verweilen, wollen wir je eher je lieber zu größeren und merkwürdigeren Handlungen zurückkehren.

Als der Knabe Hymen nun mit seiner brennenden Fackel seinen Bruder Amor aus dem Hause gejagt, oder mit anderen Worten, als[112] Wilds Leidenschaft für die keusche Lätitia sich vermindert hatte, begab er sich wieder zu seinem Freund Hartfree, der sich für jetzt in der Fleet befand und dessen Bankerott von einer niedergesetzten Kommission untersucht wurde. Hier ward er kälter aufgenommen, als er es sich vorgestellt hatte. Hartfree hatte schon lange einigen Argwohn gegen Wild gehegt, dieser war aber teils durch Umstände irregeführt und wohl gar durch die bewundernswürdige Zuversicht unterdrückt worden, worin Wild ein so großer Meister war. Hartfree wollte seinen Freund nicht gerne ohne Beweise verdammen und ergriff jede Gelegenheit, ihn loszusprechen: aber den Vorschlag, den er ihm bei seinem letzten Besuch getan, schwärzte den Charakter unsres Helden so sehr in den Augen dieses jämmerlichen Menschen, daß er der schwankenden Wage den Ausschlag gab und Hartfree nicht mehr zweifeln ließ, unser Held sei einer der größten Spitzbuben in der Welt.

Wenn man eine Geschichte mit zu großer Begier verschlingt, entwischen einem oft die unwahrscheinlichsten Umstände; der Leser wird sich daher nicht wundern, daß Hartfree, dessen Seele bei Wild Erzählung zwischen Furcht und Hoffnung geteilt war, nicht auf den Umstand merkte, daß der Freibeuter Wild in das Boot hatte aussetzen lassen; freilich hatte Wild dies zu erklären gesucht, aber bei genauer Untersuchung konnte diese Erklärung unmöglich Stich halten. Auch fiel die Unwahrscheinlichkeit des ganzen Vorgebens unserm Hartfree bald in die Augen und machte ihn äußerst unruhig. Ein schrecklicher Gedanke drängte sich seiner Einbildungskraft auf, nämlich, ob nicht das Ganze eine Erdichtung sei und ob Wild, der, wie er aus dem obigen Vorschlag gehört, zu jeder Schandtat fähig war, seine Frau nicht entführt, ausgeplündert und ermordet hätte.

So unerträglich ihm auch dieser Gedanke war, so beleuchtete er ihn doch von allen Seiten und teilte ihn dem jungen Freindly bei ihrer ersten Zusammenkunft mit. Freindly, der Wild von ganzem Herzen verabscheute (wie es denn solche kleine Seelen aus Neid zu tun pflegen), bestärkte Hartfree so sehr in seinem Verdacht, daß er unsern Helden festzunehmen und vor den Richter zu führen beschloß.

Dieser Entschluß war schon vor einiger Zeit zur Reife gekommen, und Freindly hatte unsern Helden schon verschiedene Tage in Begleitung eines Constabels gesucht; dieser aber hatte zufolge der heutigen Sitte, entweder den Honigmonat, als den einzigen, worin Eheleute vor der großen Welt miteinander vertrauten Umgang pflegen dürfen, mit seiner jungen Frau in pice et pace verlebt,[113] oder er machte auch aus seiner Wohnung gewisser Ursachen wegen ein Geheimnis – genug, man hatte ihn nicht ausfinden können, so viele Mühe man sich auch gab.

Aber unser Held beschloß, sich nun in seiner ganzen Größe zu zeigen, und ist gleich kein Held seines Schlages verbunden, dem Oberrichter oder irgend einem anderen Richter in der Welt Rede zu stehen, muß es ihm gleich seiner Ehre unbeschadet vergönnt sein, sich aus dem Staube zu machen – so erschien Wild doch in Person, um sich zu rechtfertigen. So groß war sein Mut, seine Größe und seine Unerschrockenheit.

Der Neid könnte freilich sagen, daß ein kleiner Umstand das Verdienstliche dieser Handlung ein wenig vermindere: das nämlich unser Held von der ganzen Anklage und vom Verhaftsbefehl nicht das mindeste wußte. Du weißt, lieber Leser, dieser hämische Bube merkt auf jede Kleinigkeit, die einen großen Charakter beeinträchtigen kann, und eben darum bemühte er sich auch, den Besuch des Helden aus einem ganz anderen Motiv als aus dem Verlangen, sich zu rechtfertigen, herzuleiten.

Quelle:
-, S. 112-114.
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