In Rosemaries Puppenstube

[59] Rings um das Schloß suchten die Wächter mit ihren großen Hunden, das Kasperle fanden sie aber doch alle nicht. Wo war das nur? Wie weggeblasen war es. Die Diener und Mägde durchsuchten wirklich das ganze Schloß, sie schauten sogar in verschlossene Kisten und Schränke hinein – der unnütze Schelm war nicht zu finden.

Nur eine im ganzen Schloß wußte, wo das Kasperle steckte: Rosemarie. Die hatte am Fenster gestanden, als von unten ein lautes Lärmen heraufgedrungen war. Da hatte sie erstaunt hinausgesehen und Kasperle erblickt, als das wie eine reife Pflaume am Baum im Geäst des uralten Efeus hing, der die Schloßmauer bedeckte. »Der fremde Junge!« Rosemarie hatte es verwundert gerufen, und da purzelte Kasperle auch schon in ihr Zimmer. Es war vor Angst und Eile schon ganz außer Atem.

Als das Rufen lauter und lauter wurde, war Kasperle auf einmal zu Rosemaries größter Verwunderung unter das Sofa gekrochen. Von dorther jammerte es kläglich: »Sie hängen mich auf!«

Rosemarie hatte sehr viel Mitleid mit dem kleinen Schelm gehabt, sie hatte ihn vorgelockt und rasch in ihrer[59] großen Puppenstube versteckt. Das war ein kleines Zimmer, in dem alles für Rosemaries Puppen eingerichtet war. In den hochrädrigen Puppenwagen paßte Kasperle gerade noch hinein. Etwas zusammenkrümmen mußte es sich freilich, wie ein Igel, aber Rosemarie sagte: »Das schadet nichts, hier findet dich niemand.«

Es war auch niemand im ganzen Schloß auf den Gedanken gekommen, in Rosemaries Puppenstube nachzusehen. Und als Rosemarie hinausging, schloß sie sorgsam die Vorhänge am Puppenwagen, und das Kasperle lag vergessen in dem weißen Mullbettchen, von himmelblauen Seidenvorhängen umgeben.

Nach einiger Zeit kam Rosemarie wieder. Sie hatte den Gästen gute Nacht sagen müssen und wollte nun selbst bald zu Bett gehen. Sie wollte sich ganz ausschlafen, denn morgen war die Hochzeit; die wollte sie von Anfang bis zu Ende mitfeiern. Leise zog sie den Vorhang auseinander, um zu sehen, ob der fremde Kasper auch schliefe.

Kasperle sah sie betrübt an, es seufzte kläglich und murmelte: »Ich kann in dem Wagen nicht liegen!«

»Du mußt aber drin bleiben«, flüsterte Rosemarie ängstlich. »Ach Kasper«, klagte sie, »was hast du angerichtet! Der Herzog ist bitterböse, und es sind schon dreißig Landjäger gekommen, die sollen das Schloß bewachen, damit niemand hinaus kann. Und morgen früh soll noch einmal überall gesucht werden. Dann kommen sie gewiß auch hier herein, und wenn sie dich finden, wirst du ins Gefängnis gesteckt.«

»Brrrr!« Kasperle schüttelte sich, dazu war es doch nicht in die weite Welt gelaufen, um eingesteckt zu werden. »Ich fliehe«, brummte es.

»Dann fassen dich die Hunde oder fangen dich die Landjäger.« Rosemarie seufzte bekümmert. Auf einmal aber hellte sich ihr Gesichtchen auf. »Ich weiß was«, sagte sie. »Ich gebe dir den Turmschlüssel. Gleich neben dem[60] Turm geht es ins Freie, und vielleicht ist gerade da kein Landjäger. Komm, jetzt sitzen alle beim Essen, da zeige ich dir flink den Weg.« Sie packte fürsorglich noch ein Stück Torte ein, das sie selbst hätte essen sollen, und steckte es Kasperle zu, und dann lief sie ganz leise voran. Kasperle folgte ihr, die Schuhe in der Hand. Rosemarie stieg eine schmale, schmale Treppe hinab, dann ging sie einen Gang entlang und öffnete an dessen Ende eine Tür, und beide betraten ein rundes Gemach. Ein Tisch stand in der Mitte, Stühle darum, es war noch so hell, daß Kasperle alles unterscheiden konnte. Aus dem runden Zimmer führte ein schmales Treppchen weiter abwärts, und Rosemarie belehrte Kasperle, dort müsse es hinabsteigen, die Tür unten aufriegeln, dann sei es am Parkende und komme vielleicht dort hinaus. Wie sie das sagte, erfaßte sie ein tiefes Mitleid mit dem armen fremden Jungen. Sie fand, er hätte doch gar nichts Schlimmes getan. »Du armer Kasper«, flüsterte sie, und über ihr liebliches Gesicht liefen helle Tränen.

In diesem Augenblick kam sich das Kasperle selbst sehr, sehr arm und verlassen vor, und es fing an, ganz schrecklich zu heulen. Rosemarie hielt ihm rasch mit beiden Händen den Mund zu, denn Kasperle hatte eine Stimme, die selbst durch eine dicke Turmmauer hindurchschallte. Es schwieg dann aber auch gleich und sah Rosemarie erschrocken an; doch als die sagte: »Nun muß ich gehen«, da purzelten dem Kasperle wieder die Tränen wie ein Bächlein aus den Augen. Ach, wie himmelgern wäre es jetzt hiergeblieben in dem schönen Schloß und wäre Rosemaries Spielkamerad geworden! Es legte den Kopf auf die Seite und schielte Rosemarie traurig an. Da sagte die plötzlich: »Weißt du, wie du aussiehst! Wie – wie meine Kasperlepuppe.« Und ganz jäh begann sie sich ein wenig vor dem fremden Jungen zu fürchten. Sie sagte rasch: »Ich muß gehen.« Sie nickte Kasperle noch einmal zu und glitt[61] dann leise aus dem Raum. Kasperle hörte sie zuschließen, dann war es allein.

Es blieb noch ein paar Minuten still sitzen, weinte bitterlich und vergaß darüber Rosemaries gute Lehren. Statt sachte das Trepplein hinabzusteigen und unten die Turmtüre aufzuschließen, wollte es erst einmal durch das Fenster hinausschauen. Es öffnete das kleine Fensterchen, das klirrte und knarrte arg, und dann streckte Kasperle den Kopf hinaus und sah sich um. Ach, war das eine schöne frische Luft draußen! Kasperle schaute in die Höhe und schaute nach rechts und nach links, und dann schaute es auch hinab.

»Wauwau, wuwuwu!« ging es plötzlich unten los; ein großer Hund stand da und bellte zu Kasperle hinauf. Ganz drohend klang seine Stimme.

Kasperle wollte schnell den Kopf zurückziehen. Doch so schnell ging das nicht, das Fensterchen war eng und Kasperles Kopf dick, und ehe der wieder drin war, tauchte draußen ein Landjäger im Gebüsch auf.

Gab das ein Hallo! »Er steckt im Turm!« schrie der Mann. Und dann drohte er hinauf: »Na, warte du, dich fange ich!« Er maß schnell das kleine Fenster mit seinem Blick, nein, da konnte selbst ein kleiner Junge nicht hindurchkriechen. Und weil er zu dem Pförtlein unten keinen Schlüssel hatte und auch wußte, daß dies immer verschlossen war, lief er eilig ins Schloß hinein, seinem Hund aber rief er zu: »Sultan, paß auf!«

Kasperle hörte ihn davonlaufen, und es besann sich einen Augenblick, was zu tun sei. Dann nahm es flink Rosemaries Kuchen vom Tisch, rannte blitzschnell das Treppchen hinab und schloß unten auf. »Wauwauwau!« bellte Sultan es zornig an. Das Kasperle aber, nicht faul, warf dem Hund flugs den Kuchen in den Rachen. Rrrabsch! Sultan vergaß das Bellen. So ein feiner Kuchen flog ihm nicht oft ins Maul. Er schleckte und schluckte, und da[62] hatte Kasperle auch schon die kleine Tür erreicht. Sie knarrte und quietschte, da war sie schon auf, aber inzwischen hatte auch Sultan seinen Kuchen verschluckt, und er besann sich auf seine Wächterpflicht. Doch Kasperle war flinker draußen als der Hund am Türchen. Das schlug ihm vor der Nase zu, und draußen kollerte Kasperle vor lauter Eile den Schloßberg hinab in einen kleinen Bach hinein. Das Wasser spritzte hoch auf, dem Bächlein gefiel dies Hineingeplumpse gar nicht.

Oben auf dem Schloß wurde der Lärm lauter und lauter. Jetzt bellte nicht Sultan allein, auch die andern Hunde fingen an zu bellen, Stimmen wurden laut, Rufe ertönten, und Kasperle begann vor Angst zu zittern. Es rannte in seiner Furcht eine Weile in dem Bach weiter, bis es an ein Gebüsch kam; da schlüpfte es hinein. Es kroch hindurch und sah vor sich eine weite Wiese liegen, dahinter stand dunkel der Bergwald. Dort konnte es sich vielleicht verstecken. Aber statt über die Wiese zu laufen, fing Kasperle an, Purzelbäume zu schlagen. Das ging so geschwinde, wie Tauwasser einen Berg hinabrinnt. Da war der Wald, und Kasperle tauchte in seinem dunklen Schatten unter.

Es war aber auch die höchste Zeit. Auf dem Schloß hatten sie den Turm leer gefunden, und die Landjäger schlugen einen gewaltigen Lärm. Das hörten der Graf und seine Gäste, und als der Herzog vernahm, daß Kasperle gesehen worden war, verlangte er, man solle es eilig verfolgen. Er war noch immer bitterböse auf den kleinen Kerl. Dem Finder versprach er eine hohe Belohnung.

Da rannte alles, was Beine hatte, um Kasperle zu suchen. Man fand auch bald, wo er ausgerissen war, denn Sultan stand und bellte die kleine Mauerpforte immerzu wütend an. »Den haben wir bald«, sagte der Landjäger, »Sultan findet ihn schon.«

Doch Sultan fand das Kasperle nicht. Er stand plötzlich am Bach still, schnupperte und schnupperte, aber das[63] Wasser hatte Kasperles Fährte hinweggespült. Wo war das Kasperle?

Landjäger, Hunde, Mägde, Diener, alles rannte im Schloß umher, um das Schloß herum, Kasperle fanden sie nicht. »Er ist noch im Schloß«, sagten die einen, »nein, er ist entwischt«, behaupteten die Landjäger, »man muß im Walde suchen.« Die Mägde meinten, Kasperle sei ein Gespenst; aber die Hausverwalterin sagte, ein Gespenst schlecke nicht so viel Schlagsahne. Und sie sah zehnmal in den Speisekammern nach.

Kasperle kletterte unterdessen den steilen Waldberg empor. Der Wald war hier so dicht, daß sich ein kleiner Schelm schon darin verstecken konnte. Aber vor den Landjägern und den Hunden hatte Kasperle doch eine jämmerliche Angst. Darum rannte es, so schnell es konnte. Und das war nicht immer leicht. Dürre Äste, knorrige Wurzeln, auch einmal ein umgestürzter Stamm erschwerten das Fortkommen sehr. Kasperles Nase war zuletzt ganz zerschunden, so oft hatte es sich daran gestoßen. Und je höher es hinaufkam, desto schlechter wurde der Weg. Steingeröll bedeckte den Boden, und ein Menschenbube wäre wohl nicht so schnell in die Höhe gelangt. Aber Kasperle stieg und stieg immer höher, bis auf einmal vor ihm eine grüne Bergwiese lag.

Es war Abend geworden, und am dunkelblauen Himmel stand schon ganz blaß und fein der Mond. Auch ein Sternlein glitzerte, aber Kasperle sah es gar nicht. Müde sank es am Waldrand nieder, kniff die Augen zu, und da schlief es auch schon. Und die großen Waldbäume hatten Mitleid mit dem armen, verirrten kleinen Kerl. Sie rauschten ihm ein schönes, feierliches Schlummerlied, erzählten ihm Geschichten, und Kasperle schlief auf dem weichen Waldboden besser als der Herzog im seidenen Bett. Es hörte auch nicht, wie weiter unten im Wald die Hunde bellten und die Landjäger mit Hussageschrei den Flüchtling[64] suchten. Bis zur Bergwiese stieg keiner hinauf, denn der Weg war so steil und beschwerlich, daß niemand dachte, Kasperle könnte ihn gegangen sein.

Kasperle schlief noch süß und fest, da kehrten die Landjäger in das Schloß zurück, und nun sagten sie auch: »Der hat sich im Schloß versteckt.« Und sie bewachten das Schloß weiter, und die Hausverwalterin hütete ihre Speisekammer. Und trotzdem fehlte darin am nächsten Tag ein großes Stück Torte. Die Hausverwalterin sagte: »Das war der Junge.« Berta und Dörte aber, die beiden jüngsten Mägde, leckten sich heimlich den Mund, sie hatten nämlich die Torte gegessen. Sie schrien aber am lautesten, der fremde Junge sei es gewesen. Der Herzog wurde vor Ärger, und weil er so furchtbar erschrocken war, am Tag nach der Hochzeit krank. Vielleicht hatte er auch zuviel Kuchen gegessen, wer kann das wissen! Und der Graf rief immerzu: »Schafft mir den Jungen herbei, damit ihn der Herzog bestrafen kann! Der Herzog darf sich in meinem Schlosse nicht krank ärgern.«

Der kleinen Rosemarie war das Herzchen bitter schwer. Sie hätte gern ihren Eltern alles gestanden, aber sie wagte es nicht. Tief betrübt ließ sie ihr Näslein hängen und ging still und blaß einher, und ihre Mutter begann sich recht um sie zu sorgen. Der Herzog krank, Rosemarie krank, es war gar nicht mehr gemütlich im Schloß. Der gute Graf von Singerlingen dachte: Das muß ein bißchen lustiger werden, ich muß mir etwas Aufheiterndes ausdenken. Und als er hörte, da unten in dem winzigen Städtchen, das am Fuße des Schloßberges lag, sei ein Puppenspieler angekommen, schickte er nach diesem, er möchte ins Schloß heraufkommen.

»Ich habe eine Überraschung«, sagte der Graf bei Tisch. Und dann erzählte er von dem Puppenspieler.

Der Herzog, der etwas verdrießlich am Tisch saß, mußte lachen. »Das ist freilich eine schnurrige Überraschung[65] für große Leute«, sagte er. »Doch der Mann mag kommen, auch ein Puppenspiel kann lustig sein.«

Also gab es am Nachmittag eine Vorstellung im Schloß. Der Kasperlemann aus dem Städtchen kam herauf, er stellte seine kleine Bühne auf, und dann streckte Kasperle seine große Nase heraus und – ja, was er sagen wollte, das hörten die Zuschauer gar nicht, alle riefen: »Der fremde Junge! Genauso sah er aus!«

Kasper ist's, dachte auch Rosemarie erschrocken, und ganz jäh begann sie bitterlich zu weinen. Sie schluchzte so herzbrechend, daß der Kasperlemann seine Reden und der Herzog seinen Ärger vergaß. Der fragte milde nach Rosemaries Kummer, und da bekannte die Kleine alles, und sie war froh, es sagen zu können, zu sehr hatte das Geheimnis ihr Herz bedrückt.

»O Rosemarie«, rief die Gräfin ganz erschrocken, »warum hast du geholfen und den bösen Jungen ausreißen lassen!«

»Mit Verlaub«, redete da der Kasperlemann hinter seiner Bühne hervor, »das war gar kein Junge, das war ein Kasperle, ein lebendiges Kasperle.«

»Potzwetter noch einmal!« Der Herzog sah den Kasperlemann ganz grimmig an und rief: »Was redet Er da für Unsinn? Ein lebendiges Kasperle, so etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gehört!«

Der Kasperlemann aber kam geschwind näher und verbeugte sich immerzu ganz tief. Er stippte mit der Nase beinahe auf dem Boden auf, bis der Herzog endlich rief: »Genug, genug, jetzt will ich wissen, was das mit dem Kasperle für eine Geschichte ist.«

Da erzählte der Puppenspieler vom Waldhaus und von Protzendorf, und daß er Kasperle fangen wolle, und wenn er weiß Gott wie weit ziehen müßte.

War das eine sonderbare Geschichte! Der Herzog ließ sie sich dreimal erzählen, und dann mußte der Puppenspieler[66] auch noch heilig versichern, daß alles bestimmt wahr sei. Ein Kasperle also war der fremde Junge gewesen.

Die kleine Rosemarie dachte daran, wie sie sich im Turm vor ihm gefürchtet hatte, und daß sie sich jetzt nicht mehr fürchten würde; es war ja nur ein Kasperle. Und ihr kleines Herz brach fast vor Mitleid, als sie jetzt den Herzog sagen hörte: »So einen seltsamen Kauz will ich besitzen. Wer ihn fängt, der soll eine hohe Belohnung haben. Mit dem Puppenschnitzer im Waldhaus werde ich schon einig werden; der muß mir das Kasperle überlassen. Schnell, schnell, es sollen zehn Landjäger mit Hunden ausreiten, und es soll überall nachgeforscht werden! Das Kasperle will ich haben.«

Und der Puppenspieler vergaß, daß er dem Meister Friedolin versprochen hatte, daß er ihm das lebendige Kasperle zurückbringen werde. Die hohe Belohnung verlockte ihn, und er gelobte dem Herzog, ihm das Kasperle zu bringen, wenn – er es erst hätte.

Der Herzog aber sagte, er würde Kasperle in einen goldenen Käfig stecken, es dürfe ihm nicht mehr ausreißen. Und die Landjäger ritten davon. Unten im Städtchen erzählte es einer dem andern: »Wer das richtige Kasperle findet, der bekommt viel, viel Geld.« Manche Leute rannten da gleich flink in die weite Welt hinein, um Kasperle zu suchen; die dachten wohl, das sitze mitten auf der Landstraße und lasse sich fangen wie ein Schmetterling.

Die kleine Rosemarie aber lag in ihrem Bett und weinte bitterlich. Als ihre Mutter noch einmal zu ihr kam, da war das Kopfkissen der Kleinen naß von den vielen Tränen. Und Rosemarie klagte der Mutter, wie leid ihr das arme, verfolgte Kasperle tue, das in einen Käfig gesetzt werden solle. Die Mutter tröstete zart, noch sei Kasperle ja nicht gefangen. »Vielleicht findet es noch heim in das Waldhaus; mir scheint, das ist seine beste Heimat«, sagte sie.[67]

Quelle:
Herold Verlag, Fellbach, 1985, S. 59-68.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon