[1990] Der Leib, des -es, plur. die -er, Diminut. das Leibchen, Oberd. Leiblein. 1 * Eigentlich, eine zusammen hangende, den innern Theilen nach mit einander verbundene Masse von unbestimmter Größe und Gestalt; in welcher ersten, im Hochdeutschen aber veralteten Bedeutung es zu dem Geschlechte der Wörter Lab, laben, Leber, kleben, kleiben, Kley, der ersten Hälfte des Wortes Lebkuchen, und der Latein. Lapis und Gleba gehöret. So ist im Bergbaue einiger Gegenden ein Leib oder Bergleib ein Klumpen geschmelzten Erzes, welcher an andern Orten eine Luppe genannt wird, S. dieses Wort. Am[1990] häufigsten ist es im Oberdeutschen, ein einzelnes Brot, das zu einem gewissen Körper geformte Brot zu bezeichnen, wo es doch nur von den runden oder länglich runden Broten dieser Art gebraucht wird. Ein Leib Brot, im Hochdeutschen ein Brot. Und theilete aus jedermann ein Laib Brots und ein Stück Fleisches, 1 Chron. 17, 3. Und ließ ihm des Tages ein Laiblein Brots geben aus der Beckergassen, Jerem. 37, 21. Ein Zuckerleibchen, Engl. Sugar-Loaf, ein Zuckerbrötchen. Daher es denn im Oberdeutschen auch häufig allein gebraucht wird, mit Auslassung des Wortes Brot. Einen frischen Leib anschneiden, ein frisches Brot. Finf Leiba, fünf Brote, Ottfried. Im Oberdeutschen, wo dieses Wort einheimisch ist, wird es mit dem dieser Mundart eigenen Doppellaute ai, oft aber auch mit einem hellen a, Laib, Lab, geschrieben und gesprochen, und in einigen Gegenden ist es ungewissen Geschlechtes, das Laib. Ohne Zweifel ist es eine Figur von dieser Bedeutung, daß das Brot von den ältesten Zeiten an, fast in allen Europäischen und Nord-Asiatischen Sprachen Leib genannt worden; wohin das Lat. Libum, Libo, das Ulphilan. Hhlaiban, das Angels. Hlaf, das Engl. Loaf, das mittlere Lat. Leibo, das Schwed. Lef, das Finnländ. Leipa, das Lappländ. Leabe, das Böhmische Chleba, das Pohln. Chleb, das Wendische Chlieb, Klieb, das Kroatische Hlib, das Russische Χλƞβ, u.a.m. gehören, welche so wohl ein zu einer gewissen Gestalt geformtes Brot, als auch, und zwar am häufigsten, Brot überhaupt bedeuten; in welchem Verstande es gemeiniglich von laben, so fern es erquicken, stärken, bedeutet, abgeleitet wird. Das Hochdeutsche Brot hat beyde Bedeutungen gleichfalls. Im Hannöverischen ist Luffe eine Art groben weitzenen Brotes.
2. * Ein jedes aus Materie bestehendes Ding, und diese Materie selbst; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, für welche nunmehr das Wort Körper üblich ist. Figürlich wurde es ehedem auch für die Gestalt, Form eines Körpers gebraucht, in welchem Verstande es noch bey dem Pictorius heißt, man muß dem Dinge einen rechten Leib geben, eine rechte Form, oder Gestalt. Nach einer andern, aber gleichfalls veralteten Figur, ist in der Deutschen Bibel, Röm. 6, 6, Col. 2, 11, der Leib der Sünde, der ganze Zusammenhang der sündlichen Beschaffenheit in dem Menschen.
3. In engerer Bedeutung, ein organischer mit einem belebenden Geiste oder mit einer Seele versehener Körper, wodurch dieselbe zum Gebrauche der sichtbaren Welt fähig wird.
1) Eigentlich. Die Seelen der Menschen und Thiere wirken vermittelst des Leibes. Viele Weltweise legen den Engeln sehr feine, gröbern Sinnen nicht empfindbare Leiber bey. Die Seele scheidet aus dem Leibe, verlässet den Leib, wenn der Mensch stirbt. Seinem Leibe Gutes thun, seinen Leib pflegen, im Oberd. seines Leibes pflegen. Einen kranken, gesunden, siechen Leib haben. Die Glieder des Leibes. Christus nahm einen menschlichen Leib an. Eine unheilbare Krankheit an seinem Leibe haben. In allen diesen und vielen andern Fällen kann es auch durch das Wort Körper ersetzet werden. Hingegen gibt es auch viele Arten des Ausdruckes, wo das Wort Körper nicht üblich ist. Jemanden am Leibe strafen, durch Verursachung körperlicher Schmerzen, im Gegensatze der Strafe am Gelde, am Leben u.s.f. S. Leibesstrafe. Da ist er ja mit Leib und Seele! Einem die Kleider von dem Leibe reißen. Mit bloßem Leibe einher gehen. Leib und Leben für einen lassen; eine Sache, welche Leib und Leben betrifft; bey Leib und Leben nicht; wenn nicht Leib in diesen und ähnlichen R.A. noch die alte Bedeutung des Lebens hat, so daß das folgende Leben nur zur Erklärung beygefüget worden.[1991] Er hat es eben nicht auf dem Leibe, in den gemeinen Sprecharten, er hat die Mittel nicht dazu, er siehet nicht darnach aus, er hat es nicht Ursache. Gut bey Leibe seyn, sagt man nur von Thieren, wenn sie fleischig sind. Vom Leibe fallen, in den niedrigen Sprecharten, mager werden, abnehmen, S. Fallen. Einem nahe auf den Leib treten. Ihm zu Leibe gehen. Bleiben sie mir damit von dem Leibe. Zuweilen stehet es auch überflüssig, um des Nachdrucks willen. Kein ganzes Kleid auf dem Leibe haben. Das Herz im Leibe thut mir weh. Kein Herz im Leibe haben.
2) In engerer Bedeutung. (a) Derjenige Theil des Leibes zwischen den Armen und den Füßen; im gemeinen Leben der Rumpf. α) Eigentlich. Einen langen Leib haben. Schlank von Leibe seyn. Schwed. Lif. β) Figürlich, derjenige Theil eines Kleidungsstückes, welcher diesen Theil des Leibes bedecket. Der Leib an einem Hemde, an einem langen Frauenzimmerkleide. Ingleichen ein Kleidungsstück ohne Ärmel, welches allein diesen Theil bedecket, welches auch ein Leibchen genannt wird. Arten davon sind die Brustleiber, Bindleiber, Schnürleiber u.s.f. in welchen Wörtern es nach dem Vorgange einiger Oberdeutschen Mundarten auch ungewissen Geschlechtes ist. (b) In noch engerer Bedeutung, der untere Theil dieses Leibes; der Unterleib, im Gegensatze des Oberleibes, in der niedrigen Sprechart der Bauch. Jemanden um den Leib anfassen. Einen dünnen, schlanken Leib haben. Die Hülsenfrüchte blähen den Leib auf. Einen großen Leib haben, welches im Oberd. auch schwanger seyn bedeutet, wofür man im Hochdeutschen sagt, gesegnetes Leibes seyn, sich gesegnetes Leibes befinden. Von Mutter Leibe an, von der Geburt an. Das Reißen im Leibe. Jemanden vor den Leib stoßen. Offnen Leib machen, den Abgang durch den Mastdarm befördern. Offenen Leibes seyn. Einen verstopften Leib haben. Der Leib gehet dem Kinde aus, im gemeinen Leben, wenn der Mastdarm austritt.
3) Figürlich. (a) Die Person selbst; eine Bedeutung, welche ehedem häufiger war als jetzt. Mit seinem selbst Leibe, hieß ehedem so viel als persönlich, in eigener Person. Ein Lehen auf drey Leib, bis auf den Enkel. Bis auf den dritten oder das dritte Leib, bis in das dritte Glied. Im gemeinen Leben sagt man nur noch, sich etwas auf seinen eignen Leib, für seinen eigenen Leib halten, zum unmittelbaren Bedürfnisse oder Vergnügen seiner eigenen Person. Daher an Höfen und bey vornehmen Personen diejenigen Dinge oder Bedienten, welche allein für den Herren bestimmt sind, durch das vorgesetzte Leib- von andern ihrer Art unterschieden werden; der Leibarzt, Leibbäcker, Leibschneider, Leibkutscher, Leibpferd u.s.f. zum Unterschiede von dem Hofarzte, Hofbäcker, Hofschneider, Hof- und Kammerkutscher u.s.f. S. Kammer 3. 2) (a). Ja auch im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart, pflegt man nach einer noch weitern Figur alle Dinge, an welchen man ein vorzügliches Vergnügen findet, durch das vorgesetzte Wort Leib- zu unterscheiden. Pfirschen sind sein Leibobst, Fische sein Leibessen. Gellerts Schriften sollten aller Schönen Leibbuch seyn. Da fast alle Hauptwörter diese Zusammensetzung leiden, so würde es unnöthig gewesen seyn, sie am folgenden besonders anzuführen. (b) * Das Leben, ohne Plural; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche aber ehedem sehr gangbar war. Kero, Ottfried, Notker und andere alte Schriftsteller nennen das Leben beständig Lip, den Leib aber Lichenam. Im Hochdeutschen hat sich diese Bedeutung nur noch in einigen R.A. und Zusammensetzungen erhalten. Ihr mecht verlieren euren Leib, Theuerd. Kap. 81, euer Leben.[1992] Dadurch ich schier mein Leib verlor, ebend. Kap. 75. Bey Leibe nicht! eine im gemeinen Leben übliche Art des Verbothes, so lieb wie dir dein Leben ist. Bey Leibe sprich kein Wort, Gell. Bey Leibe müßt ihr mich nicht gnädige Frau heißen, Weiße. Leib und Leben daran wagen. Seines Leibes keinen Rath wissen, im gemeinen Leben, schlechterdings keinen Rath wissen. Leib und Gut verlieren, Leben und Vermögen. S. Leibrente, Leibzucht und andere der folgenden Zusammensetzungen Geloubo ewigen Lip, ich glaube ein ewiges Leben, in dem alten apostolischen Glaubensbekenntnisse. Eben so ist bey dem Ulphilas Libains, im Angels. Isländ. Schwed. und Nieders. Lif, Engl. Life, gleichfalls das Leben. Ja bey dem Suidas wird αλιβας durch νεκρος, todt, erkläret, welches augenscheinlich das Oberdeutsche ableibig und Niederd. aflibig, todt, verstorben, ist. Es kann seyn, daß Leib in dieser Bedeutung keine Figur von Leib, Corpus, ist, sondern unmittelbar von Leben abstammet, oder vielmehr das Stammwort von diesem ist, und so wie dieses eigentlich ein merkliches Getöse, hernach eine Bewegung, und im engsten Verstande den Zustand eigener willkührlicher Bewegungen bedeutet hat. S. Leben.
Anm. Im Oberdeutschen hat dieses Wort noch jetzt im Plural sehr häufig die Leibe, welcher Form auch Luther zuweilen gefolgt ist. Selig sind die Leibe, die nicht geboren haben, Luc. 23, 29. Im Hochdeutschen ist der Plural auf -er ohne Ausnahme gangbar, ungeachtet dieser sonst eigentlich nur gewissen Neutris zukommt. Allein Leib ist auch in einigen Oberdeutschen Gegenden im ungewissen Geschlechte üblich. Im mittlern Lat. bedeutet Gleba einen todten Körper, einen Leichnam.
Adelung-1793: Leib-Page, der · Leib-Medicus, der · Leib-Chirurgus, der · Leib-Regiment, das · Leib-Compagnie, die · Leib-Escadron, die
Herder-1854: Längst Leib längst Gut
Kirchner-Michaelis-1907: Wechselwirkung von Leib und Seele · Leib
Meyers-1905: Mann und Weib sind ein Leib · Längst Leib, längst Gut
Buchempfehlung
Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro