Schilling, der

[1466] Der Schilling, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches im Deutschen noch in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. 1. Am häufigsten als ein Nahme einer Münze, welche doch nach Beschaffenheit der Zeiten und Orte von einer sehr verschiedenen Währung ist; Angels. Scylling, Engl. Shilling, Schwed. Skilling, im mittlern Lat. Chalongia, Schellingus. Man findet Spuren, daß ein Schilling ehedem so viel wie ein jetziger Gulden gewesen. Der Englische Schilling, oder Shilling, macht nach unserm Gelde beynahe einen halben Gulden. In Aachen sind noch Schillinge, vielleicht nur als eine Rechnungsmünze, gangbar, deren vier einen Reichsgulden machen. In verschiedenen Provinzen am Niederrheine ist der Schilling eine Münze, welche ungefähr drey gute Groschen ausmacht, daher deren bald acht, bald auch neun auf einen Reichsthaler gerechnet werden; so hält der Schilling in Westphalen 3 gute Groschen oder 71/2 Stüver, in Ostfriesland 2 Flinderke, 6 Stüver, 8 Grot, 12 Sieferts, 24 Örtchens oder 60 Witten, so daß deren neun einen Reichsthaler machen, im Cölnischen, wo ihrer vier einen Herrengulden machen, 21/2 Blafferts, 6 Gößchen, 71/2 Clevische Stüver, 10 Albus oder 12 Häller. Der Schilling Flämisch, wornach in verschiedenen Gegenden Niederdeutschlandes gerechnet wird, macht gleichfalls 3 Gr. denn 20 Schilling Flämisch machen daselbst ein Pfund Flämisch, d.i. 21/2 Rthlr. In Österreich und einigen andern Oberdeutschen Gegenden ist der Schilling eine Rechnungsmünze, deren 8 einen Gulden machen, daher einer so viel als ein Zweygroschenstück ist. Im Münsterschen hingegen machen 28 Schillinge einen Thaler, so daß 1 Schilling 12/7 Mariengroschen ist. Am üblichsten ist es als der Nahme einer Scheidemünze, welche sich aber doch auch nicht gleich ist, sondern bald 9, bald 6, bald aber auch nur[1466] 1 Pfennig hält. 1) In Regensburg, Franken und andern Gegenden sind Kaisergroschen und Schilling gleichbedeutend, indem beyde 3 Kreuzer halten. 2) Durch ganz Niedersachsen ist der Schilling das, was man in Obersachsen einen Sechser nennet, d.i. 6 Pfennige. Einzelne Gegenden machen indessen auch hier eine Ausnahme; so hat man z.B. in Stettin zwey Rechnungsmünzen dieses Nahmens, wovon der Schilling schlechthin 8 Pf. der Schilling Sundisch aber nur vier Pfennige gilt. Man findet es in ähnlicher Währung auch in einigen Oberdeutschen Gegenden. In Basel ist ein Schilling so viel wie ein Blaffert, denn beyde halten 6 Nappen oder 12 Pfennige, und 45 Schillinge machen einen Thaler. In Zürch gilt ein Schilling 1/1/2 Kreuzer. 3) In Preußen und Pohlen endlich ist ein Schilling, oder nach der Schlesischen Aussprache ein Schillcher, nicht mehr als ein Meißnischer Pfennig. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wird Schilling noch in einigen Zusammensetzungen für Münze oder Geld überhaupt gebraucht; z.B. Kaufschilling, Pfandschilling.

2. In manchen Gegenden ist der Schilling eine bestimmte Zahl gewisser Dinge. Bey den Wörtern Pfund und Malter ist schon bemerket worden, daß diese Art zu zählen in den mittlern Zeiten sehr gemein war. Die gewöhnlichste Art die Schillinge einzutheilen war nach Pfennigen oder Hällern, welche letztern oft auch Pfennige genannt wurden; da aber der Schilling in einigen Gegenden 21/2 Groschen, und in andern nur 1/2 Groschen galt, so bedeutet Schilling bald eine Zahl von 30, d.i. Pfennigen, bald nur eine Zahl von 12, d.i. Hällern. So sind in einer Österreichischen Chronik 11 Schillinge Städte und Flecken so viel als 330, siehe Pfund. In diesem Verstande ist es als ein Zahlwort, welches 30 bedeutet, noch jetzt in Österreich gangbar. In Schlesien hingegen ist ein Schilling oder Schillcher Vögel eine Zahl von zwölfen.

3. Hierher gehört noch eine doppelte Art des Gebrauches, welche noch hin und wieder gangbar ist, und als eine Figur der vorigen Bedeutung angesehen werden kann. 1) In manchen Gegenden ist es ein Maß körperlicher Dinge. So ist in den Böhmischen Bergwerken der Schilling, Böhm. Sfilink, ein Maß Erz von 5 Schubkarren. Man könnte es hier füglich von Schale ableiten, so daß es überhaupt den Begriff eines hohlen Maßes und Raumes hätte, wenn nicht wahrscheinlicher wäre, daß hier eben die vorige Art zu zählen zum Grunde liege. Denn in eben den jetzt gedachten Böhmischen Bergwerken ist ein Schilling Wasser eine Zahl von zwölf ledernen Schläuchen oder 480 Prager Pinten; 18 Schillinge machen daselbst eine Losung Wasser. In Regensburg hingegen hat ein Schilling Salz 30 Scheuben, und 8 Schillinge machen daselbst ein Pfund Salz. 2) Oft bedeutet Schilling auch eine Züchtigung, welche einem Verbrecher mit dem Stocke, der Peitsche oder mit Ruthen gegeben wird. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird es daher für den Staupbesen gebraucht. Der Stockschilling ist in den Gerichten noch jetzt eine Züchtigung von dem Stockmeister in dem Stocke oder Gefängnisse. Auch die Züchtigung ungezogener Knaben in den Schulen auf den Hintern führet daselbst den Nahmen des Schillinges. Da Plätzer von platzen in ähnlichem Verstande vorkommt, so könnte man auch Schilling in dieser Bedeutung von schallen ableiten, wenn es nicht wahrscheinlicher wäre, daß es auch hier von der vorigen Bedeutung entlehnet worden, und ursprünglich eine bestimmte Zahl Streiche, etwa 12 oder 30, bedeutet habe. S. Pfund.

Anm. Die letzte Sylbe an diesem Worte ist die Ableitungssylbe -ing oder -ling, welche ein Ding, ein Subject bedeutet. Es kommt also bey der Ableitung nur auf die erste Sylbe an, deren nächste Bedeutung aber hier noch nicht völlig ausgemacht ist, zumahl da die unter dem Nahmen der Schillinge bekannten Münzarten[1467] von einem so verschiedenen Werthe und Gehalte sind. Ich will die vornehmsten und wahrscheinlichsten Ableitungen hier kürzlich anführen. 1) Freher de re Monetaria leitet es von dem Latein. Siliqua her, welches bey den Römern den vierten Theil einer Unze bedeutete. Er beruft sich dabey auf ein altes Deutsch-Lateinisches Glossarium, in welchem Numisma durch Silihha übersetzt wird: Obolum dimidium scriptuli, quod facit siliquas tres, Stuhi (Stück) halb scriptolus, dez tot Silihhun iri; Stater est nummus u. quidam affirmant, unciam unam, aureos sex, Waga ist Sklihhono, so sume xasastinot, unce ainan, Scillinga sehsi. Welches doch wider Frehern selbst streitet, weil hier Silihha und Scillinga ausdrücklich unterschieden werden. 2) Junius ließ es von dem alten skella, schallen, klingen, abstammen, und nach ihm wurden alle dickere Münzen Schillinge genannt, im Gegensatze der Blechmünzen, welche letztern gar keinen Klang hatten. 3) Nach Wachtern, dessen Ableitungen oft überaus weit her gehohlet sind, ist das Mösogothische skula, ein Schuldiger, das Stammwort, und da wäre Schilling ursprünglich von den Strafgeldern gebraucht worden. 4) Ich habe auch irgend wo eine Ableitung von Schild gesunden, welche eben nicht unter die unwahrscheinlichsten gehöret, und da würde Schilling, eigentlich Schildling, eine mit dem Wapenschilde des Münzherren bezeichnete Münze seyn, auf welche Art auch der Scudo der Italiäner und der Ecu der Franzosen erkläret werden müssen. Dieser Ableitung kommt das zu Statten, daß ehedem auch grobe Münzsorten unter dem Nahmen der Schillinge vorkommen. 5) Viele andere, und unter denselben auch Frisch, sehen dieses Wort als ein aus dem Lateinischen Solidus gebildetes Wort an, woraus auch die Franzosen ihr Sol entlehnet, und woraus die Deutschen vermittelst ihrer Endsylbe -ing oder -ling Solling, Silling, und mit dem härtern Zischlaute Schilling, gemacht. Man beruft sich dabey darauf, daß diejenige Art Münzen, welche man Schillinge genannt, gemeiniglich den Blechmünzen entgegen gesetzet werden, daher dieses Wort ehedem oft als eine allgemeinere Bestimmung den besondern Münznahmen vorgesetzet wurde, z.B. eilf Schillinge Pfennig, undecim solidi, d.i. eilf Dickmünzen von dem Gehalte eines Pfenniges. Allein dieser Beysatz läßt sich auch nach andern der jetzt angeführten Ableitungen erkläret. 6) Ihre endlich glaubt, daß dieses Wort ursprünglich mit Scheidemünze in dessen ersten Bedeutung gleichbedeutend gewesen, und leitet es von schellen, Schwed. skelja, theilen, ab. Diese Ableitung erhält dadurch ungemein viel Wahrscheinlichkeit, weil ausgemacht ist, daß die ältesten Dickmünzen, welche man den Blechmünzen entgegen setzte, vermöge eines vertieften, eingeprägten Kreuzes im nöthigen Falle leicht in zwey oder vier Theile gebrochen oder geschnitten werden konnten, wie aus den noch übrigen so wohl ganzen, als getheilten Münzen dieser Art, besonders bey dem Hickes, erweislich ist. Was wir im heutigen Verstande Scheidemünze nennen, heißt im Schwedischen noch jetzt Skiljemynt. Schilling würde also so wohl eine auf solche Art geprägte theilbare Dickmünze, als auch einen bestimmten Theil derselben bedeuten, und daher läßt sich auch die verschiedene Währung der Schillinge erklären, indem sie bald größere, bald kleinere Münzsorten bezeichnen. Ein Schilling-Pfennig ist alsdann ein Pfennig in dieser Münzsorte zum Unterschiede von einem Blechpfennige. S. auch Scherf.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1466-1468.
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