Voraus

[1251] Voraus, adverb. zuvor, vor einem andern Dinge, sowohl dem Orte, als der Zeit nach. 1. Dem Orte nach, voraus, wo es gleichfalls oft für voran gebraucht wird, doch mit dem Nebenbegriffe sowohl der Zeit, als auch einer größern Entfernung. Ich will indessen voraus gehen, nicht bloß voran, sondern vorher dahin gehen, wohin auch andere gehen wollen. So auch voraus laufen, reiten, schicken, fliegen. 2. Der Zeit nach. (1) Vor der bestimmten, gehörigen oder gewöhnlichen Zeit. Jemanden voraus bezahlen, ehe noch die Bezahlung eigentlich fällig ist. Das hast du schon voraus genossen. Einem etwas voraus geben. Ich habe den Verlust schon voraus verschmerzet, ehe er mich noch betroffen hat.


Nur fraget nicht voraus, wer diesen Reim gesetzt,

Günth.


Wo es oft mit den Vorwörtern im und zum verbunden wird, als wenn es ein Hauptwort wäre, in welchem Falle man auch den Ton zuweilen auf das vor setzet. Jemanden im oder zum voraus bezahlen. Wenn er sich zum voraus an jeder Rettung ekelt, Herd. Schon im voraus empfinde ich hier eine Freude, die alle meine Leiden versüßt, Hermes. Ich will ihnen im voraus von Herzen Glück wünschen, Gell. Er versichert sie im voraus seiner Ergebenheit. Da mehrere Nebenwörter mit Präpositionen verbunden werden, ohne daß sie dadurch zu Hauptwörtern würden, so ist es unnöthig, das voraus in diesem Falle mit einem großen Buchstaben zu schreiben. (2) Für vorher, ehe eine Sache wirklich geschiehet. Etwas voraus wissen, sehen, verkündigen. Das habe ich lange voraus gesehen. Auch hier zuweilen mit im und zum. Ich sehe es schon im oder zum voraus. 3. Figürlich. (1) Etwas voraus setzen, es als wahr, als möglich oder wirklich annehmen. Ich setze dabey voraus, daß du unschuldig bist. Voraus gesetzt, daß sich das einmahl so fügen wird. Nach einer noch weitern Figur wird etwas voraus gesetzt, wenn es dazu erforderlich ist. Die wahre Freundschaft setzet allezeit gegenseitige Verdienste voraus, Gell. (2) Oft bedeutet voraus einen Vorzug vor einem andern. Er hat viel vor dir voraus, sowohl, er hat Vorzüge vor dir, als auch, er hat mehrere Vortheile, er hat gleichsam einen starken Vorsprung vor dir, ist dem Orte der Bestimmung schon näher. Jemanden etwas zum voraus vermachen, wo der Ton gern auf das vor gesetzt wird, ihm außer dem gewöhnlichen Theile an der Erbschaft noch etwas vermachen, welches die übrigen Miterben nicht bekommen, da denn ein solcher Theil im gemeinen Leben auch wohl der Voraus genannt wird. Er klagt über sein Unglück, gleichsam als wenn er vor andern etwas voraus hätte, als wenn er das Vorrecht hätte, nicht unglücklich zu seyn. (3) Ehedem wurde es auch häufig für vornehmlich, besonders, gebraucht, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist. Schon bey den Schwäbischen Dichtern kommt vor us in diesem Verstande vor.


Was mir voraus zu reden wohl gefällt,

Opitz.


Der es auch für zumahl gebraucht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1251.
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