Wort, das

[1613] Das Wort, des -es, plur. die -e, und in der folgenden ersten Bedeutung, die Wörter, Diminut. das Wörtchen, Oberd. Wörtlein.

1. Ein einzelner Bestandtheil der Rede, der Ausdruck einer Vorstellung, welche ohne Absatz und auf Ein Mahl ausgesprochen wird, oder auch ein Ausdruck, welcher einen vollkommenen Sinn enthält. In dieser Bedeutung lautet der Plural Wörter, wenn nehmlich sehr bestimmt solche einzelne Bestandtheile außer ihrem Zusammenhange gemeinet werden. Eine Sprache bestehet aus Wörtern; Wörter bestehen aus Sylben. Fremde Wörter mit in seine Sprache mischen. Neue Wörter bilden. Der Bau der Wörter. Einsylbige, mehrsylbige, edle, unedle Wörter. Von Wort zu Wort übersetzen, wörtlich.


Begütert, Herr Baron, und Freyer,

Die Wörter gehn durch Mark und Pein,

Lichtwehr.


Zuweilen scheint es, daß es, dieser Bedeutung ungeachtet, im Plural Worte habe. Die ehrwürdigen Worte, Religion und Ehre, können wider den Strom des Beyspieles und der Leidenschaft nicht immer bestehen, Gell. So oft wir Worte ohne deutliche Begriffe fassen, treiben wir mit unserm Gedächtnisse den unnatürlichsten Gebrauch, eben ders. Sprechen heißt, seine Gedanken durch Worte ausdrucken. Er kann mit zwey, drey Worten mehr sagen, als ein anderer mit zehen. In dem ersten Falle könnte es Wörter heißen; allein da Religion und Ehre wirklich verbunden sind, so läßt sich auch der Plural, Worte, vertheidigen. In den übrigen Fällen aber werden sehr deutlich Wörter im Zusammenhange gemeinet, daher ist der Plural, Worte, der einzige richtige.

2. Wörter im Zusammenhange, d.i. die Rede, eine Reihe ausgedruckter Vorstellungen, da es denn im Plural jederzeit Worte[1613] hat, selbst wenn es ein Zahlwort vor sich haben sollte. Es wird in dieser Bedeutung auf verschiedene Art gebraucht.

(1) Von einer Rede, d.i. Reihe ausgedruckter Vorstellungen überhaupt. Sowohl im Plural allein. Viele unnütze Worte machen, weitläufig und ohne Nutzen reden. Wozu so viele Worte? Das sind leere Worte; jemanden mit leeren Worten abspeisen wollen. Traue meinen Worten. Nur ein Paar Worte mit jemanden zu reden haben. Jemanden viele gute Worte geben. Hart mit Worten angelassen werden. Sich mit Worten an jemanden vergreifen. Etwas mit zwey Worten abfertigen, kurz. Ich weiß kaum Worte zu finden, meinen Dank auszudrucken. Er brach in diese Worte aus u.s.f. Er ist von sehr wenig Worten, er spricht wenig.

Als auch im Singular allein, doch hier nur in vielen einmahl eingeführten figürlichen oder sprichwörtlichen Ausdrücken, wo Wort immer Rede überhaupt bedeutet. In einer Gesellschaft das große Wort haben, allein sprechen. Das letzte Wort haben wollen, zuletzt sprechen wollen. Das Wort führen, den Vortrag im Nahmen mehrerer thun. Das Wort nehmen, in einer gesellschaftlichen Unterredung anfangen zu sprechen. Ein Wort gab das andere, eine Reihe von Vorstellungen. Ein gutes Wort für jemanden einlegen, zu seinem Besten reden. Einem das Wort reden, oder sprechen, ihn vertheidigen, zu seinem Besten reden. Schon im Schwabenspiegel ist, einem das Wort reden, ihn vor Gericht vertheidigen. Jemandes Wort unterstützen, seinen Vortrag, sein Gesuch. Er will es nicht Wort haben, nicht eingestehen. Auf jemandes Wort bauen, sich darauf verlassen. Ich habe auch ein Wort, ein Wörtchen, darein zu sprechen, meine Einwilligung ist dabey auch nöthig. Einem in das Wort fallen, ihn unterbrechen. Man ließ mich nicht zum Worte kommen, zum Sprechen. Sein Wort anbringen, sein Gesuch. Das ist doch ein Mann, mit dem man ein Wort reden kann, der gesprächig ist, ingleichen, der Vorstellungen annimmt, sich lenken läßt. Ihr Wort in Ehren, eine Formel der Höflichkeit, im gemeinen Leben, wenn man sich genöthiget siehet, dem andern zu widersprechen. Das Wort starb ihm plötzlich auf der Zunge, er hörte vor heftiger Leidenschaft plötzlich auf zu reden. Sprichw. Ein gut Wort findet eine Statt, gütliche Vorstellungen sind selten vergeblich.

Oft bedeutet Wort, oder ein Wort, eine sehr kurze Rede, Ich wollte gern ein Wort, ein Wörtchen, mit ihm allein sprechen. Nur noch ein Wort, ehe du den Ausspruch thust. Sagen sie ja kein Wort, nichts. Ich weiß kein Wort davon. Mit einem Worte, es wird nichts daraus. Aufs Wort gehorchen, auf den geringsten Befehl. Er spricht kein Wort, sondern ist immer in Gedanken. Er gedenkt der Freundschaft mit keinem Worte. Ich will ihnen ein Wort, ein Wörtchen, im Vertrauen sagen. Verliehren sie kein Wort mehr.

(2) In einigen engern Bedeutungen. (a) Im Kriegeswesen wird die Parole bey einigen Truppen das Wort genannt; und in dieser Bedeutung scheinet der Plural ungewöhnlich zu seyn. (b) Ein förmliches Versprechen; nur im Singular allein. Einem das Wort geben, ihm etwas versprechen. Ich verlasse mich auf ihr Wort. Sein Wort halten, erfüllen. Sein Wort zurück nehmen. Es brechen. Ich halte sie bey ihrem Worte, dringe auf die Erfüllung ihres Versprechens. Sein Wort von sich geben, ein förmliches Versprechen thun. Sie haben mein Wort, mein Versprechen. Ein Mann von Wort, der sein Versprechen hält. Versprich mir auf dein Wort, niemanden etwas davon zu sagen. Sprichw. Ein Wort, ein Wort, ein Mann, ein Mann, ein rechtschaffener Mann hält sein Versprechen. (c) Das Wort Gottes, in der Theologie, die heil. Schrift, und einzelne Theile[1614] desselben. In einer andern Bedeutung wird im Neuen Testamente Christus zuweilen das Wort genannt.

Anm. Dieses alte Wort lautet schon von den frühesten Zeiten an Wort, bey dem Ulphilas Waurd, im Engl. Word, im Nieders. Woord. Im Hochdeutschen lautet es geschärft, welche Aussprache um der beyden Consonanten Willen auch die richtigere ist; dagegen die Niedersächsischen Hochdeutschen es gern gedehnt sprechen. Der Unterschied des Plurals erstreckt sich auch auf die Zusammensetzungen: Kunstwörter, Hauptwörter, Wurzelwörter; aber Scheltworte, Scherzworte, Zauberworte, Drohworte, u.s.f. Nur Sprichwort macht eine Ausnahme, indem es durchgängig Sprichwörter hat, ob es gleich eine zusammen hangende Vorstellung bezeichnet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1613-1615.
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