[104] Bacchus. (Mythol.) Wir finden bei den Alten mehrere Bacchos erwähnt, denen allen eine verschiedene Abkunft zugeschrieben wird. Dieses hat unter den Mythologen [104] die Frage veranlaßt, ob es mehrere Bacchos gegeben, oder ob man nur einen einzigen anzunehmen habe? Wir sprechen hier (wenn es wirklich mehrere gegeben hat) bloß von dem berühmtesten, welcher ein Sohn des Jupiters und der Semele (s. Semele) war, und den man gemeiniglich den Thebanischen Bacchus nennt. Die Nymphen erzogen ihn in seiner Jugend – während welcher ihn die Dichtungen gleichsam in süßem Schlummer taumelnd darstellten – bis sich auf einmahl seine furchtbare Macht enthüllte. Als einst die Seeräuber den Bacchus entführen und binden wollten, fielen dem lächelnden Knaben die Banden von selbst ab; und ähnliche Vorfälle bestätigten seine Göttlichkeit. Er erfand den Weinbau. Mit einem Kriegsheer von Männern und Weibern, das mit freudigem Getümmel einher zog, von Satyrn und Faunen mit Pfeifen und Cymbeln und von Bacchantinnen mit langen Stäben, die mit Weinreben umflochten waren, begleitet, allerhand wilde Thiere, als Löwen, Panther, Tieger, bei sich führend, trat er seinen berühmten Zug nach Indien an, und breitete seine wohlthätigen Eroberungen bis an den Ganges aus. Er lehrte die besiegten Völker höhern Lebensgenuß, den Weinbau und Gesetze. Er vollendete diesen Zug in drei Jahren, zu dessen Andenken nachher aller drei Jahre Feste gefeiert wurden. (s. die vor. Art.) Seine Gemahlin war Ariadne, des Königs Minos in Kreta Tochter. – »Des Bacchus hohes Urbild« sagt Moritz, »war die immer schwellende Lebensfülle der Natur, womit sie dem Geweihten begeisternden Genuß und süßen Taumel aus ihrem schäumenden Becher schenkt. Der Dienst des Bacchus war daher, so wie der Dienst der Ceres, geheimnißvoll; denn beide Gottheiten sind ein Sinnbild der ganzen wohlthätigen Natur, die keines Sterblichen Blick umfaßt, und deren Heiligkeit keiner ungestraft entweiht.« Was die Darstellung des Bacchus durch die bildende Kunst betrifft, so sagt Winkelmann: Bacchus erscheint in idealischer Jugend, von Verschnittenen genommen, mit der männlichen Jugend vermischt, nach verschiedenen Altern bis zu einem vollkommenen Gewächse, und in den schönsten Figuren allezeit mit feinen und rundlichen Gliedern, und mit völligen und ausschweifenden Hüften des weiblichen Geschlechts. – Das Bild des Bacchus ist ein schöner Knabe, welcher die Gränzen des Frühlings des Lebens und der Jünglingsschaft betritt, bei welchen die Regung der Wollust, wie die zarte Spitze einer Pflanze, zu keimen anfängt, [105] und welcher, wie Schlummer und Wachen, in einen entzückenden Traum halb versenkt, die Bilder desselben zu sammeln und sie wahr zu machen anfängt. Seine Züge sind voll Süßigkeit, aber die fröhliche Seele tritt nicht ganz ins Gesicht. In einigen Statuen des Apollo ist die Bildung desselben einem Bacchus sehr ähnlich; – in einer von diesen Gottheiten wurden zuweilen beide verehrt, und einer wurde anstatt des andern genommen. – Als Verbreiter seiner Wohlthaten in der Welt ist Bacchus mit einer Leopardenhaut bekleidet; seinen Wagen ziehen Tieger, sein Kranz ist von Ephen, Epheuguirlanden dienen ihm zum Zügel, und sein Zepter, der Thyrsus, ist mit Ephen umwunden. – In der churfürstlichen Gallerie zu Dresden findet sich eine schöne Statue des Bacchus. Von einem Französ. Meister hat man eine reitzende Gruppe: Bacchus und Ariadne. Mehrere vortreffliche Abbildungen des Bacchus auf geschnittenen Steinen hat Herr Lippert gesammelt.