[12] Der General la Fayette. Dieser große Mann, der noch vor wenig Jahren die Augen der halben Welt auf sich zog und über dessen jetziges Schicksal jeder Rechtschaffene trauert, wurde 1757 in der ehemahligen Provinz Auvergne geboren. Seine frühesten Thaten sind so beschaffen, daß man von ihnen auf die Rechtschaffenheit und den Edelsinn ihres Urhebers untrüglich schließen kann. Er verließ Frankreich, sein Vaterland, und schiffte heimlich nach Amerika, um den dasigen Colonien freiwillig und ohne irgend einen Gehalt seine Dienste gegen England anzubieten und ihnen die Freiheit durch die Tapferkeit seines Armes erkämpfen zu helfen. Der Math, womit er jeden Gefahren trotzte, die Klugheit, wodurch er mit seinen oft schwachen und [12] nicht geübten Heereshaufen den weit überlegnern Engländern das Feld abgewann, und die Uneigennützigkeit und die heldenmüthigen Aufopferungen, welche seine Schritte leiteten, rechtfertigten das Zutrauen, womit der Congreß in Philadelphia diesen jungen zwanzigjährigen Krieger beehrte, und berechtigten zu noch größern Erwartungen von ihm für die Zukunft. Nachdem Frankreich sich zum Bundesgenossen von Amerika erklärt hatte, verließ la Fayette auf einige Zeit das neue Land der Freiheit, um ihm in seinem Vaterlande nützlich zu werden; er kehrte jedoch bald wieder dahin zurück, und zeigte dem Englischen Befehlshaber, Lord Cornwallis, in verschiedenen Niederlagen, die er ihm beibrachte, daß seine Jugend, worüber Cornwallis bisweilen spottete, seinen militalrischen Operationen im geringsten nicht zuwider war. Der Friede der zwischen den kriegführenden Mächten 1783 zu Versailles zu Stande kam, eröffnete ihm neue frohe Aussichten für die nun begründete Amerikanische Verfassung; er unternahm deßwegen 1784 eine abermahlige Reise nach der neuen Welt, und wurde überall mit dem lautesten Jubel empfangen. Die Hochachtung der Amerikaner gegen ihn war so groß, daß sie ihm (im Jahre 1786) auf dem Rathhause zu Paris ein Denkmahl errichten und sein Brustbild öffentlich aufstellen ließen. Nicht lange nachher zogen sich die Ungewitter der Revolution über Frankreich auf; und la Fayette war dazu bestimmt, gleich bei den ersten Stürmen vorzüglich handelnde Person zu werden. Schon bei der Verlammlung der Notabeln (1787) war er zugegen, und erwarb sich den Ruf eines muthigen Beschützers der Freiheit und eines wahren Patrioten. Man bewunderte die Standhaftigkeit, mit der er seine Vorschläge zu einer Zeit vertheidigte, da die Bastille noch nicht geschleift war und der Graf Artois, in dessen Büreau er arbeitete, noch Macht genug hatte, um eine Hofcabale gegen ihn anzuzetteln; aber er blieb unerschütterlich und ließ sich durch nichts bewegen, der guten Sache abtrünnig zu werden. Das Volk sah in ihm seinen Schutzengel, und die Stadt Paris erwählte ihn (am 15. Jul. 1789) zum Oberbefehlshaber ihrer Bügermiliz. Mit diesem Zeitpunkte eröffnete sich für ihn ein unübersehbares Feld, worauf er Ehre und Ruhm einernten, Bedrängten zu Hülfe eilen, [13] den Despotismus demüthigen und Frankreichs Schicksal gewisser Maßen bestimmen konnte. Das Volk vertraute sich ihm unbedingt an und überschüttete ihn mit allen nur erdenklichen Beifallsbezeugungen. Die Hofpartei war ihm dem äußern Ansehen nach auch nicht abgeneigt; aber desto größer war der geheime Groll, den sie gegen ihn hegte; wie hätte sie auch einem Manne gewogen sein können, der an der Spitze ihrer angeblichen Feinde stand? Man schmiedete frühzeitig heimliche Cabalen, um ihn in den Augen des Volks zu verkleinern und seinen Einfluß zu vermindern: nie wollte es aber damit glücken; Fayette ging den Weg, den er einmahl betreten hatte, muthig fort. Sein heißester Wunsch war, daß Frankreich unter dem Einfluß einer wohlthätigen Constitution glücklich sein und Ludwig XVI. als einzig gesetzmäßiges Oberhaupt anerkannt werden möchte. Bei solchen Gesinnungen konnte er unmöglich die ehrgeitzigen Absichten der herrschsüchtigen Großen billigen, welche den ehemahligen Despotismus wieder zurückwünschten, mußte aber nothwendig die verderblichen Entwürfe der Volksaufwiegler und Anarchisten, die schon frühzeitig ihr Haupt empor zu heben begannen, eben so sehr verabscheuen. Als der König die neue Constitution (1791) angenommen hatte, begab sich Fayette, der seinen Beruf nunmebro erfüllt glaubte, auf seine Landgüter, um nach ein paar mühevollen Jahren, worin er nur wenige ruhige Tage hatte zählen können und mehrere Mahl in Lebensgefahr gewesen war, endlich einige Erholung zu suchen und im Genuß der schönen Natur seine überstandenen Mühseligkeiten zu vergessen. Man findet auch hier den edeln Mann wieder. Fayette hatte durch die Revolution einen beträchtlichen Theil seiner Einkünfte verloren; und dessen ungeachtet entsagte er jeder glänzenden Stelle, welche ihm einen reichlichen Ersatz würde dargeboten haben. Man wollte ihn zum Mare von Paris wählen; er interessirte sich aber selbst so wenig dafür, daß sein Mitbewerber Petion nothwendig die Stimmen davon tragen mußte. Durch diese Wahl änderte sich plötzlich die Lage der Dinge; die demokratische Partei bekam ein entscheidendes Uebergewicht, und la Fayetteʼs Fall war schon damahls gewisser Maßen vorbereitet. Viele Häupter der Jacobiner fingen nun schon laut an, [14] sich gegen ihn zu erklären; und jemehr ihre Entwürfe ihn in ihr Interesse zu ziehen, mißglückten, desto ungescheuter wurden ihre Angriffe. Man machte seinen Patriotismus verdächtig und brachte es durch Verunglimpfungen aller Art auch wirklich so weit, daß sein Credit im Anfange des Jahres 1792 um ein merkliches zu sinken anfing, und Aristokraten und Demokraten den edeln Mann gleich hitzig verfolgten. Dessen ungeachtet gelang es nicht, ihn eines Verbrechens zu überführen, wodurch man ihm das Commando über die Truppen, welches der ausbrechende Krieg mit Oesterreich (den 20. April 1792) nöthig machte, hätte entziehen können. Er stellte sich an die Spitze seines Heeres im vollen Vertrauen, für die Rechte des Königs und die neue Constitution zu kämpfen. Da aber die Ränke der Jacobiner täglich höher stiegen und die Zügellosigkeit in Paris so zugenommen hatte, daß das Volk den König sogar in seinem Schlosse beschimpfte (20. Juni 1792); so wagte es Fayette, von der Armee nach Paris zu reisen und vor den Schranken der National-Versammlung Hülfe gegen die Unruhestifter zu suchen. Seine Bitten blieben zwar fruchtlos, sie bewiesen aber unwidersprechlich die Reinheit seiner Absichten und sein eignes gutes Gewissen; wie hätte er es sonst wagen können, sich seinen Feinden freiwillig zu überliefern? Er kehrte zu seiner Armee zurück und nährte immer noch die Hoffnung, seinem unglücklichen Vaterlande nützlich zu werden; der Sturz des Königthums (am 10. August 1792) und die darauf erfolgte gänzliche Auflösung der Staatsverfassung überzeugten ihn vom Gegentheile. Seine Soldaten verließen ihn; und da er seiner Meinung nach nichts Gutes mehr wirken konnte, so verließ er selbst (am 19. Aug.) mit noch einigen Offizieren die Armee, um sich fürs erste nach England und dann nach Amerika zu begeben. Die Flüchtlinge hofften als reisende Privatpersonen überall passiren zu können, hatten aber das Unglück, nahe bei Rochefort auf dem Lütticher Gebiet von einem Oesterreichischen Posten angehalten und als Kriegsgefangene behandelt zu werden. Von diesem Angenblicke an mußte la Fayette mit Kummer und Elend kämpfen und seine Tage in einem verödeten Kerker zubringen. Er wurde dem König von Preußen[15] ausgeliefert und mußte bis zum Jahre 1794 in Magdeburg bleiben. Nachher wurde er dem kaiserlichen Hofe wieder übergeben, und seitdem wird er auf der Festung Olmütz in Mähren als Staatsgefangener aufbewahrt. Seine Gattin und seine beiden Töchter theilen seit einem Jahre freiwillig mit ihm ein gleiches Schicksal, und haben bis jetzt noch keine Linderung seiner traurigen Lage erflehn können. Vergebens haben die Bürger Amerikaʼs seine Unschuld betheuert, vergebens hat man im Englischen Parlamente sein Schicksal zur Sprache gebracht; die Politik hat bis jetzt noch ihre Rechte behauptet und die Stimme des Mitleids unterdrückt. Man wirft besonders einem gewissen Minister vor, daß er hauptsächlich dazu beitrage, Fayetteʼs Qualen zu verlängern; allein es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Minister nur das Organ einiger Emigrirten ist, welche es nie vergessen können, daß Fayette anfänglich die Revolution sehr thätig unterstützte und gewisser Maßen mit herbeiführen half. Der Nachwelt bleibt es vorbehalten, über diesen unglücklichen General zu urtheilen. Sollte er dadurch gefehlt haben, daß er sich unvorsichtiger Weise zu laut gegen die Jacobiner erklärte, für die Constitution von 1791 zu lebhaft eingenommen war und der Entschlossenheit des Königs zu viel traute; so waren dieses Fehler, welche dem größten Staatsmann begegnen konnten, zumahl in einem Zeitpunkte, wo beinahe jeder Tag einen neuen Auftritt herbeiführte und die überlegtesten Plane für die Zukunft in einem Augenblicke vernichtete.
Adelung-1793: General-Lieutenant, der · General-Major, der · General-Marsch, der · General-Gewaltiger, der · General-Kriegs-Commissarius, der · General-Landtag, der · General-Sturm, der · General-Superintendent, der · General-Wagenmeister, der · General-Quartiermeister, der · General-Stab, der · General-Starost, der · General-Fiscal, der · General-Auditeur, der · General-Baß, der · General-Admiral, der · General, der · General-Adjutant, der · General-Feldmarschall, der · General-Feldwachtmeister, der · General-Feldzeugmeister, der · General-Accise, die · General-Befahrung, die · General · General-Staaten, die · General-Schmelzung, die · General-Capitel, das
Brockhaus-1809: Der General La Fayette (Interims-Nachtrag) · Der General (Jean Baptiste) Jourdan · Der General Pichegrü · Der General von Montesquiou · Der General-Vikar · Der General v. Montesquiou · Der General Johann Victor Moreau · Der General Nicolas Stofflet · Der General Kellermann · Der General Jourdan · Der General Hoche · Der General Moreau · Der General Miranda · Der General Luckner · La Fayette · General Lazare Hoche
Brockhaus-1911: Procureur général · Major-général · General
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