[374] Die Leibeigenschaft. Es ist eine sehr richtige Bemerkung des Herrn Hegewisch, des neuesten Schriftstellers über die Leibeigenschaft, daß dieselbe im Wesentlichen mit der Sclaverei einerlei sei, indem der Leibeigne wie der Sclav das Eigenthum seines Herrn, und das Eigenthumsrecht des Herrn an der Person des Sclaven nur weniger eingeschränkt als in Ansehung des Leibeignen ist. Eben dieser vortreffliche Schriftsteller (weit entfernt von der unphilosophischen Vorstellungsart, als ob ein so unnatürliches Verhältniß als die Leibeigenschaft, so wie sie jetzt ist, auf einmahl entstanden sein könne) zeigt, wie sie wahrscheinlich zuerst, wiewohl in einem schwachen Grade, in den eignen Familien der Hirtenvölker (das Jägerleben scheint, anfangs [374] wenigstens, die Leibeigenschaft nicht veranlaßt zu haben. Die Jäger sind zu muthig, um sich unterjochen zu lassen; und da sie noch keine Sclaven zu brauchen wissen, so machen sie auch ihre Kriegsgefangenen nicht dazu: auch hat man bei keinem Volke, das aus bloßen Jägern besteht, Sclaven gefunden), in denen es eines Anordners bedarf, der die Andern zur Ausführung braucht, durch ältere von ihren Aeltern begünstigte Geschwister, welche mit den übrigen nicht gleich theilten, entstanden, und durch die Ueberwundenen in ihren kleinen Kriegen fortgebildet sei; wie dieses Verhältniß bei dem Uebergang dieser Völker von der Viehzucht zum Ackerbau, schon wegen der schwerern Arbeiten bei dem letztern, drückender, und mit der Gelegenheit, die Producte in Geld umzusetzen, so wie überhaupt mit dem Erwachen des Handelsgeistes, noch drückender geworden sei, und die Sclaven selbst einen Gegenstand des Handels abgegeben haben. – Bei den Alten, bei denen der Sclaven schon in den Büchern Mosis und im Homer Erwähnung geschieht, war die Sclaverei unter den Römern am härtesten, indem die Römischen Sclaven weder in Beziehung auf den Staat, noch in Rücksicht auf die Herren irgend ein Recht von Bedeutung hatten, sondern als bloße Sachen betrachtet wurden. Unter den Neuern herrscht jedoch eine noch abscheulichere Sclaverei in Rücksicht der Negern in den Colonien (s. hierüber den Artikel Negerhandel). – In Deutschland war das Verhältniß zwichen freien und nicht freien Menschen ursprünglich so gelinde, daß man sich mit Recht des (nach unsern Begriffen) gelindern Worts Leibeigenschaft dafür bedient. Indem der Gutsherr dem Leibeignen Grund und Boden zur Bearbeitung verlieh, leistete ihm dieser Dienste und gab ihm Zinsen; die Leibeigenschaft war also mehr die Folge eines Vertrags als der Unterdrückung, selbst bei denjenigen, welche, wie oft der Fall war, ihre Freiheit verspielt hatten. Selbst daß die Kinder der Leiheignen ebenfalls leibeigen wurden, schien nicht unbillig, da die Kinder nicht nur auf dem Gute erzogen wurden, sondern auch dadurch ein Recht auf den Nießbrauch des Guts erhielten. Mit der zunehmenden Industrie, besonders durch die Bekanntschaft der Deutschen mit den Römern, welche gern Deutsche Sclaven hatten, wurde [375] das Schicksal der Leibeignen härter; die Deutschen führten häufig Kriege mit einander, machten die Ueberwundenen zu Sclaven und verkauften sie dann an die Römer. Im Mittelalter, von der Zeit Carls des Großen an, wurde die Leibeigenschaft in Deutschland immer allgemeiner und drückender durch die Ungerechtigkeiten der königlichen Beamten und, nach Einführung des Lehnrechts, durch die Ritter, welche von ihren Burgen über die armen Landleute herfielen: hierdurch kam ein überaus großer Theil freier Leute in Leibeigenschaft; viele davon hielten es für zuträglich, sich selbst frommen Stiftungen als Leibeigne zu übergeben. Die langen und heftigen Kriege endlich, welche die Deutschen mit Glück wider die Wenden führten, trugen ebenfalls dazu bei, die Leibeigenschaft in Deutschland zu vermehren und härter zu machen. Noch gegenwärtig ist die Leibeigenschaft in den ehemahligen Wendischen und Slavischen Landen, in der Lausitz, Pommern, Mecklenburg, wie auch größten Theils im Holsteinschen, am drückendsten. Hier hat der Leibeigne der Regel nach kein Eigenthums-Erb- oder irgend ein dingliches Recht an dem ihm vom Gutsherrn anvertrauten Gute, vielmehr ist er nicht nur den drükkendsten Frohnen und Zinsen sondern auch den größten Einschränkungen der persönlichen Freiheit unterworfen. In Westphalen haben die Leibeignen ein besseres Schicksal, und kommen den ganz freien Bauern schon näher; und noch milder ist ihr Loos in den südlichen Provinzen Deutschlands, wo Leibeigenschaft Statt findet. – Außer Deutschland findet man die Leibeigenschaft noch in vielen Europäischen Staaten, besonders in den östlichen, wie in Ungarn, wo sie zwar hart genug, aber dieses doch noch nicht in dem Grade wie in Pohlen und Rußland ist: denn hier sind die unglücklichen Landleute ganz das Spiel der Launen ihres Gutsherrn, werden, ohne irgend einen Schutz von der Regierung zu genießen, auf die schimpflichste Art gemißhandelt; und ihre Ermordung wird oft durch eine bloße Geldbuße geahndet. Auch in Frankreich gab es Leibeigne: allein der menschenfreundliche Ludwig XVI. hob i. J. 1779 die Leibeigenschaft durch ein Edict in allen Krondomainen auf: Adliche und begüterte Geistliche folgten seinem Beispiel; und die Reste [376] dieses Jochs wurden durch die erste National-Versammlung, zugleich mit dem Feudalsystem, ganz vertilgt. Schon vor Ludwig XVI. hatte Friedrich II. gleich nach dem siebenjährigen Kriege i. J. 1763 die Idee gefaßt, die Leibeigenschaft in Pommern abzuschaffen; allein eine Gegenvorstellung der Pommerschen Landstände, in welcher diese unter andern läugneten, daß es in Pommern Leibeigenschaft gebe (sie sagten, der Bauer daselbst sei nur gutspflichtig, und dieses Verhältniß sei ihm nützlicher als die völlige Freiheit), brachte ihn von diesem Gedanken wieder ab. Deutschland liefert in den neuern Zeiten mehrere Beispiele von Aufhebung der Leibeigenschaft; das erste gab uns Joseph II. der derselben i. J. 1781 in Böhmen und Mähren, und 1782 in allen seinen Deutschen Oestreichischen Staaten ein Ende machte, welchem Beispiele bald nachher der Markgraf von Baden auf die uneigennützigste Weise gefolgt ist. Herr Hegewisch zeigt in der oben erwähnten Schrift (Schreiben an die Frau – – über den Ursprung der Leibeigenschaft, Kiel 1796), »daß der Abstand zwischen dem Herrn und seinen Leibeignen in unsern Zeiten weit größer worden sei als er im Mittelalter war;« und es ist nur allzu gewiß, daß durch das drückende Verhältniß der Leibeignen nicht nur ihre Geisteskraft in engen Schranken zurückgehalten, sondern auch der Landbau im Ganzen genommen mehr gehindert als befördert werde. Wie wünschenswerth wäre daher die völlige Aufhebung dieses Verhältnisses; eine Sache, die jedoch nicht ohne nähere Bestimmungen ausführbar ist, damit auf der einen Seite die Rechte der Gutsbesitzer nicht zu sehr geschmälert, auf der andern die Freiheit für die Leibeignen nicht drückender als ihr bisheriges Verhältniß werde. Dieses Letztere haben Leibeigne wirklich mehrere Mahle besorgen müssen, und daher das ihnen angebotene Geschenk der Freiheit ausgeschlagen. Der beste Weg zur glücklichen Aufhebung der Leibeigenschaft ist ohne Zweifel die Errichtung eines Erbpacht-Contracts mit den freigelassenen Bauern. Herr Büsch theilt hierüber im zweiten Theile seiner Schrift über den Geldumlauf vortreffliche Bemerkungen mit, welche er schon niedergeschrieben hatte, als er fand, daß Joseph II. die Verwandlung [377] der k. k. Domainen in Bauergüter beinahe nach denselben Ideen glücklich ausgeführt hatte.