Die Schöppen

[124] Die Schöppen: so nennt man 1) die Beisitzer in den Gerichten, besonders aber in den Dorfgerichten; 2) vom Staate bestellte Justiz-Collegien, deren Pflicht es ist, Urthel über die an sie zur Entscheidung geschickten Rechtssachen zu fällen, die aber keine eigentliche Gerichtsbarkeit haben. Ihr Name kommt von Schaffen, weil sie gleichsam das Urthel schufen, d. h. erfanden (daher man sie Lateinisch Scabinos nennt), nach Andern von schöpfen, weil sie ihre Aussprüche aus den Rechten schöpften. Schon in den ältesten Zeiten Deutschlands nahmen die Richter, welche aus den Angesehensten des Volks gewählt wurden, sich freigeborne Beisitzer zu Hülfe, [124] welche nicht allein Rath gaben, sondern auch selbst Urtheilssprüche machten; und von diesen Beisitzern, die man im Mittelalter Schöppen oder Scheffen nannte und selbst in kleinen Orten und Dörfern als Gehülfen der Richter anstellte, schreiben sich noch unsere Dorfgerichts-Schöppen her, welche freilich jetzt wegen des außerordentlichen Umfangs des juristischen Wissens in rechtlichen Sachen nicht die geringste Gewalt haben, sondern bloß der Feierlichkeit und Ordnung wegen bei den meisten Handlungen, die vor Gericht geschehen, besonders bei peinlichen Sachen, gegenwärtig sein müssen. Man hat ihrer gewöhnlich zwei, die zugleich mit dem Dorfrichter und Gerichtshalter das Personale des Gerichts ausmachen. – Im Mittelalter stiftete man aber in vielen Städten ganze Collegien von rechtserfahrnen Männern, welche den eigentlichen obrigkeitlichen Personen die Urtheilssprüche verfertigten, und nannte sie Schöppenstühle. Die Schöppen dieser Art waren damahls beinahe die Einzigen, welche des Rechts einigermaßen kundig waren; aber ihre Kenntniß erstreckte sich bloß auf das eigentliche Deutsche Recht, welches sie daher auch sehr standhaft erhielten und gegen das Eindringen der fremden Römischen und canonischen Rechte schützten. Auch erwarben sie sich dadurch großes Verdienst, daß sie das Deutsche Recht von seinem gänzlichen Untergange retteten (s. Sachsenspiegel); und wo entweder keine Gesetze vorhanden waren (die damahls fast gänzlich fehlten) oder ihre sehr eingeschränkte Rechtskenntniß sie verließ, entschieden sie nach Billigkeit, Herkommen und gesunder Vernunft, obgleich oft sehr falsch. Das Ansehen derselben stieg so hoch, daß man nicht nur das ganze damahls gebräuchliche vaterländische Recht nach ihren Entscheidungen bildete, sondern auch Ausländer, z. B. die Pohlen, ihre Rechtssachen freiwillig ihren Aussprüchen unterwarfen, welches besonders bei dem Magdeburgischen Schöppenstuhle, dem berühmtesten unter allen, geschah. Da aber nachher theils das Römische und canonische Recht im Jahre 1495, als subsidiarische Entscheidungsquelle der im Deutschen Rechte nicht bestimmten Fälle, ausdrücklich aufgenommen wurde, theils den Juristenfacultäten ebenfalls das Recht, Urthel [125] zu machen, beigelegt wurde, verloren sie das Monopol der rechtlichen Entscheidungen und sanken sehr herab. Noch jetzt haben wir viele durch gründliche Kenntnisse sehr berühmte Schöppenstühle, z. B. zu Halle, Jena, Leipzig, Wittenberg etc. Chursachsen hat deren drei, den zu Leipzig, welcher schon 1420 vorhanden war, den zu Wittenberg, welcher 1536 gestiftet wurde, und den sehr alten Berg-Schöppenstuhl zu Freiberg, welcher in Bergwerkssachen Recht spricht (s. den Art. Freiberg). Alle drei stehen nicht, wie es im Mittelalter gewöhnlich war, unter Stadträthen, sondern unmittelbar unter dem Churfürsten, haben aber keine richterliche Gewalt, sondern dürfen bloß, so wie die Facultäten, Urtheile machen, von welchen an die höchsten Landescollegien appellirt werden kann.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 124-126.
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