[9] Gottlieb Wilhelm Rabener. Dieser denkwürdige Mann, der in geistiger und moralischer Hinsicht so rühmlich sich auszeichnete, wurde den 17. Septbr. 1714 zu Wachau, einem zwischen Leipzig und Borna gelegenen Dorfe, geboren. Sein Vater, welcher Besitzer dieses Dorfes und Anwald im Oberhofgerichte zu Leipzig war, vertraute ihn bis in das vierzehnte Jahr dem Unterrichte eigener Lehrer an. Den Grund zu den höhern Wissenschaften legte der junge Rabener auf der Landschule zu Meißen, welche er 1728 bezog, und nach einem sechsjährigen Aufenthalte wieder verließ. Er besuchte nun, um sich der Rechtsgelehrsamkeit zu widmen, die Universität zu Leipzig, wo er zwar seinen väterlichen Versorger verlor, aber in dem Umgange mit Gärtnern und Gellerten, seinen ehemahligen Mitschülern, die seligsten Genüsse fand. So wenig er auch bei dem gewählten Studium die übrigen Theile der Literatur vernachlässigte, so machte er doch in jenem sehr schnelle Fortschritte; und schon im Jahre 1737 vertheidigte er öffentlich eine von ihm selbst geschriebene Streitschrift. Durch seine Verbindung mit dem Kreis-Landsteuereinnehmer Lazer näherte er sich der Bahn, die er in der Folge als Geschäftsmann betrat. Der Genannte flößte ihm Neigung für die Kenntnisse des Steuerwesens ein; Kenntnisse, welche Rabener bald sich vertraut zu machen wußte. Im Jahre 1741 erhielt er die Stelle eines Steuerrevisors des Leipziger Kreises, und 1753 wurde er in das Ober-Steuercollegium zu Dresden als Ober-Steuersecretair berufen. Hier ernannte ihn nach dem Friedensschlusse des siebenjährigen Krieges sein Fürst zum Steuerrathe; ein Amt, das er nur acht Jahre bekleidete. Bald nach dieser Beförderung fing seine Gesundheit zu wanken an; er bekam Anfälle vom Schlage, und eine Rückkehr des letztern endigte am 22. März 1771 sein gemeinnütziges Leben.
Rabener ist als Mensch und als Schriftsteller ehrwürdig. Er glühte für Tugend und Religion, und beide [9] waren seine unzertrennlichen Begleiterinnen. Er verwaltete mit der größten Treue, was der Staat ihm anvertraut hatte; und oft pries ihn Gellertals ein Muster der tugendhaften Arbeitsamkeit und des Berufsfleißes. Sein Umgang mit den Musen schränkte sich bloß auf die Erhohlungsstunden ein; nie suchte er diesen, wenn er als Geschäftsmann dem Vaterlande sich weihen sollte. Er kannte das Selige des Wohlthuns, und entbehrte oft, um wohlthätig sein zu können. Er war freimüthig gegen Große, herablassend gegen Niedrige, warm für seine Freunde. Nie gab er der Stimme des Schmeichlers Gehör, jedes übertriebene Lob wies er mit Spott zurück. Und so edel sein Herz war, so groß war auch sein Genie. Immer wird Rabener unter den Satyrikern unserer Nation glänzen, und immer wird seine Satyre mit der Achtung für seinen Geist auch Achtung für seine Denkungsart einflößen. Bei ihm erblickt man in jeder Schilderung, jedem Gemählde den tugendhaften Sittenrichter, der nur um zu bessern spottet; noch nie hat ein Schriftsteller den erhabenen Zweck der satyrischen Dichtung so vor Augen gehabt, als ihn Rabener hatte. Er entweihte die Spiele seiner Laune durch keine Persönlichkeiten, griff das Ungereimte nicht an, wenn die Verspottung desselben dem Ehrwürdigen schaden konnte, entsprach überhaupt ganz den Forderungen, die er an die Satyriker that. »Werden Namen eines Satyrenschreibers verdienen will, sagte er, dessen Herz muß redlich sein. Er muß die Tugend, die er Andere lehrt, für den einzigen Grund des wahren Glücks halten. Das Ehrwürdige der Religion muß seine ganze Seele erfüllen. Nach der Religion muß ihm der Thron des Fürsten und das Ansehen der Obern das Heiligste sein; die Religion und den Fürsten zu beleidigen, ist ihm der schrecklichste Gedanke. Er liebt seinen Mitbürger aufrichtig; ist dieser lasterhaft, so liebt er den Mitbürger doch und verabscheuet den Lasterhaften. Die Laster wird er tadeln, ohne der öffentlichen Beschimpfung die Person desjenigen auszustellen, welcher lasterhaft ist und noch tugendhaft werden kann. Er muß eine edle Freude empfinden, wenn er sieht, daß sein Spott dem Vaterlande einen guten Bürger erhält, und einen andern zwingt, daß er aufhöre, lächerlich und lasterhaft zu[10] sein. Er muß die Welt und das ganze Herz der Menschen, aber vor allen Dingen muß er sich selbst kennen. Er muß liebreich sein, wenn er bitter ist. Er muß mit einer ernsthaften Vorsicht dasjenige wohl überlegen, was er in einen scherzhaften Vortrag einkleiden will.«
Die ersten Proben, welche Rabener von seiner Laune gab, erschienen in den Belustigungen des Verstandes und Witzes; einer Monathsschrift, welche der Professor Schwabe 1741 eröffnete. In der Folge gab Rabener seine satyrischen Aufsätze in die für die Deutsche Literatur so wichtig gewordenen Bremer Beiträge, an welchen Gärtner, Cramer, Adolph Schlegel, Ebert, Zachariä u. Gellert arbeiteten. Die Aufsätze, durch welche Rabener diese periodischen Blätter bereicherte, machen die beiden ersten Theile seiner Schriften aus. Diesen folgte 1752 ein dritter Theil, welcher satyrische Briefe enthält, und endlich 1755 ein vierter und letzter, in welchem sich des Anton Panßa von Mancha Abhandlung von Sprüchwörtern, das Mährchen vom ersten April und mehrere andere Satyren befinden. Durch die Belagerung von Dresden, welche im Juli 1760 erfolgte, gingen die Handschriften verloren, welche Rabener noch zum Drucke bestimmt hatte, und die nach seinem Tode der Presse übergeben werden sollten. Beide Häuser, in welchen jene sich befanden, wurden ein Raub der Flammen; und es erschienen dafür nach Rabeners Ableben nur die von ihm gesammelten freundschaftlichen Briefe, welche Christian Felix Weiße nebst einer kurzen Biographie ihres Verfassers 1772 herausgab. Die sämmtlichen Schriften dieses großen Satyrikers sind in das Französische und Holländische, und einige Stücke derselben auch in das Englische, Dänische und Schwedische übersetzt worden.