Isaak Newton

[249] Isaak Newton. Dieser große Denker, in welchem sich auf eine seltne Art ein herrliches Genie und eine günstige Lage zur Entwickelung und Verfolgung desselben vereinigten, war i. J. 1642 zur Woolstrop in der Grafschaft Lincoln geboren. Newtons Aeltern, von denen er seinen Vater frühzeitig verlor, waren begütert; seine Mutter wollte ihm indeß keine eigentliche gelehrte Erziehung geben, sondern nahm ihn ungefähr in seinem 15. Jahre aus der Schule zu Grantham, um ihn zur Verwaltung seiner Güter und seines Vermögens anzuführen. Allein er zeigte so wenig Lust hierzu, daß sie ihn wieder nach Grantham und i. J. 1660 nach Cambridge schickte. Seine Talente zeigten sich sehr früh. Die Hauptgegenstände seiner Thätigkeit waren Mathematik und Naturkunde, auf welche letztere er auch seine Philosophie gründete. Früh schon fand er den Euklides zu langweilig, und warf sich in die hohen Bahnen eines Descartes und Keppler. Der erste, der seinen Werth erkannte, war der Professor der Mathematik Barrow zu Cambridge, welcher auch i. J. 1669 ihm zu Gunsten seine Lehrstelle niederlegte, die Newton 27 Jahre lang verwaltete. Im J. 1696 machte ihn der König Wilhelm zum Münzwardein, und drei Jahre darauf zum Münzmeister, in welcher Stelle er seinem Vaterlande bei der damahligen großen Münzveränderung beträchtliche Dienste leistete; diese öffentlichen Aemter schadeten jedoch seinen gelehrten Nachforschungen eben so wenig, als diese jenen. Im J. 1703 ward er Präsident der königlichen Akademie der Wissenschaften, welche Würde er bis an seinen Tod bekleidete, und i. J. 1705 wurde er von der Königin Anna, seiner Schülerin, zum Ritter gemacht. Als die Akademie der Wissenschaften zu Paris auswärtige Mitglieder wählen durfte, war Newton der erste, mit dessen Namen sie ihr Verzeichniß zierte. Der Ruf seines Tiefsinns war in seinem Vaterlande, selbst am [249] Hofe, eben so außerordentlich als im Auslande. Er verband mit seinen großen Talenten und seiner unermüdeten Thätigkeit den vortrefflichsten Charakter. Uebrigens war er bis in ein Alter von achtzig Jahren beständig gesund, bis er endlich i. J. 1726 an Steinschmerzen starb. In der Mathematik und Physik hat er sich vorzüglich durch die Erfindung der Differentialrechnung (in welcher Erfindung sein Geist dem Geiste Leibnitzens begegnete, mit welchem Newton deßhalb auch in Streit gerieth. Die Sache war diese: Leibnitz machte seine Erfindung der Differentialrechnung früher bekannt, als Newton die seinige; allein Newton war weit früher im Besitz derselben als Leibnitz), die Verbesserung der Farbentheorie, und durch die Fortschreitung von Kepplers Erfindungen bis zur Erfindung der Attractionsgesetze berühmt gemacht. In seiner Philosophie betrat er die Fußtapfen Bacons, und schritt nie über die Gränzen der Erfahrung. Raum und Zeit waren ihm das, als was sie uns erscheinen. In der Gottheit verehrte er den mächtigen und weisen Urheber der Natur; und nie soll er den Namen desselben haben aussprechen hören, ohne sich zu beugen. – Uebrigens sind zwei Dinge an Newton sonderbar: erstlich, daß er nie ein Frauenzimmer berührte, zweitens, daß er fähig war, ein Werk wie seine Bemerkungen über den Propheten Daniel und die Offenbarung St. Johannis zu schreiben, welches jedoch erst nach seinem Tode herauskam. – Sein Leichnam wurde in die Westminster-Abtei zu London gebracht (der Großkanzler und die Pairs von England trugen mit an seinem Sarge) und ihm daselbst ein vortreffliches Denkmahl errichtet, das die beste Stelle in der ganzen Kirche hat, und mit der bekannten (Lateinischen) Inschrift prangt, »daß sich die Sterblichen freuen sollen, daß eine solche Zierde des menschlichen Geschlechts gelebt habe«. Folgende Grabschrift soll Pope auf ihn gemacht haben: »Die ganze Natur und ihre Gesetze lagen in Nacht gehüllt; Gott sagte: laß Newton werden – und alles ward Licht.«

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 249-250.
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