Newton [3]

[601] Newton (spr. njūt'n), 1) Isaac, der Begründer der neuern mathematischen Physik und der physischen Astronomie, geb. 5. Jan. 1643 zu Woolsthorpe in der Grafschaft Lincoln, gest. 31. März 1727 in Kensington. Seit 1660 studierte er in Cambridge Mathematik, und besonders zogen ihn die Werke Saundersons, Descartes', Keplers und Wallis' »Arithmetica infinitorum« an, welch letztere ihn 1665 zu der von ihm selbst als seine größte mathematische Entdeckung bezeichneten Erweiterung des binomischen Lehrsatzes und zur Entdeckung der Fluxionslehre hinleitete. Er fand nämlich, daß der binomische Satz nicht bloß für ganze positive Exponenten, sondern auch für gebrochene und negative anwendbar sei, und erhob sich mittels dieses wichtigen Satzes zu einem allgemeinen Prinzip der Methode der »Fluxionen«, das darin besteht, aus der Art und Weise des allmählichen Anwachsens der Größen auf ihren Wert m schließen. Achtzehn Jahre später machte Leibniz (s. d.) dieselbe Entdeckung unter einer andern Form, die jetzt unter dem Namen der Differentialrechnung angewendet wird. Erst als Mercators »Logarithmotechnia« erschienen war und die darin gelehrte Quadratur der Hyperbel außerordentliches Aufsehen erregte, fand sich N. bewogen, seine bei weitem mehr leistende Methode der Fluxionen seinem Lehrer Barrow mitzuteilen. Hinsichtlich des Streites, in den N. 1712 mit Leibniz über die Erfindung des Infinitesimalkalküls geriet, steht jetzt fest, daß jeder unabhängig von dem andern auf seine Methode gekommen ist. Die Briefe, worin jeder das frühere Dasein seiner Erfindung behauptet hat, sind in dem »Commercium epistolicum« (Lond. 1712) gesammelt. Die größte physikalische Entdeckung Newtons ist diejenige seines Gravitationsgesetzes; man erzählt, daß er 1666 durch einen vom Baum fallenden Apfel auf die Kraft, welche die Körper nach dem Mittelpunkte der Erde hinzieht, aufmerksam geworden sei; er gelangte dann zu der Vermutung, daß dieselbe Kraft auch auf den Mond wirke, und daß ebenso die Anziehungskraft der Sonne die Ursache der Planetenbewegung sei; jedoch führten ihn seine Forschungen wegen der damaligen mangelhaften Angaben für die Erddimensionen zu keinem Ziel, und er veröffentlichte sie deshalb nicht. Daneben beschäftigte ihn seit 1666 die Dispersion des Lichtes, und die erste Arbeit über dies Thema legte er 1672 der Royal Society vor. So hatte er sich um die mathematisch-physikalischen Wissenschaften bereits unsterbliche Verdienste erworben, als ihm 1669 Barrow seinen Lehrstuhl abtrat. Bald nachher erregte er durch eine Arbeit über bessere Einrichtung der Spiegelteleskope die Aufmerksamkeit der Royal Society in London, der er auch ein solches von ihm selbst verfertigtes, 30–40mal vergrößerndes Teleskop überreichte. 1672 wurde er Mitglied der Royal Society und legte ihr einen Teil der Analysis des Lichtes vor. Der Streit, in den ihn diese Theorie mit Hooke und andern Physikern verwickelte, bewog ihn zu einer weitern Ausführung seiner Theorie des Lichtes. Nachdem 1682 Picard die Resultate seiner Gradmessung bekannt gemacht hatte, und nun genauere Daten für die Erddimensionen vorlagen, nahm N. seine Gravitationsuntersuchungen wieder auf und fand, daß die Bewegung des Mondes in der Tat mit dem von ihm entdeckten Gravitationsgesetz übereinstimme. Von nun an war seine wissenschaftliche Tätigkeit fast ausschließlich der Verfolgung dieses Naturgesetzes gewidmet. Als 1684 Halley ihn in Cambridge besuchte, konnte er demselben bereits den »Tractatus de motu« vorlegen, der dann das erste und zweite Buch seiner »Philosophiae naturalis principia mathematica« (Lond. 1687, 3. Aufl. 1726; mit Kommentar von Leseur und Jacquier, Genf 1739 bis 1742, 4 Bde.; neu hrsg. von Wright, Lond. 1854, 2 Bde.; von Thomson und Blackburne 1871; von Frost 1878; deutsch von Wolfers, Berl. 1872) bildete. Inzwischen hatte N. auch eine politische Wirksamkeit gewonnen. Er repräsentierte nämlich die Universität Cambridge in dem Parlament, das 1689 die Thronerledigung aussprach, und erhielt 1695 die Stelle eines Münzwardeins und 1699 die eines Münzmeisters. 1703 siedelte er nach London über und wurde Präsident der Royal Society. 1705 erhielt er den Adel. Von seinen Werken besorgte er nur die »Optik« selbst zum Druck und zwar zuerst englisch u. d. T. »Optics, or a treatise of the reflections, refractions inflections and colours of light« (Lond. 1704), die von Clarke unter seiner Aussicht ins Lateinische übersetzt wurde (das. 1706; deutsch von Abendroth in Ostwalds Klassikern, Nr. 96 u. 97, Leipz. 1898). Mit der ersten englischen Ausgabe des Werkes vereinigte N. auch die zwei geometrischen Abhandlungen »De quadratura curvarum« und »Enumeratio linearum tertii ordinis«; in der erstern teilt er die Erweiterung der Binomialreihe sowie die trigonometrische Reihe und die Logarithmen- und Exponentialreihe mit, in der andern behandelt er die Einteilung der Kurven in algebraische und transzendentale und führt 72 Kurven dritten Grades auf. Seine »Arithmetica universalis«, welche die von ihm in Cambridge gehaltenen analytischen Vorlesungen enthält, wurde von Whiston ohne und selbst gegen Newtons Willen herausgegeben (Cambr. 1707; neue Ausg., Amsterd. 1761, 2 Bde.; Lond. 1845). Seine »Methodus differentialis« und »Analysis per aequationes numero terminorum infinitas« wurden ebenfalls von fremder Hand, jedoch mit seiner Zustimmung, veröffentlicht (Lond. 1711). Auch über chronologische Gegenstände hat N. scharfsinnige Untersuchungen angestellt und ein eignes Werk verfaßt, das u. d. T. »The chronology of ancient kingdoms amended« (Lond. 1728; deutsch, Hildburgh. 1745) erschien. Von geringerer Bedeutung sind seine metaphysischen Hypothesen. In seinen »Observations upon the Prophecies of Daniel and the Apocalypse of St. John« (Lond. 1733) verirrte sich sein klarer Geist in mystische Träumereien; überhaupt waren religiöse Betrachtungen in den spätern Lebensjahren eine von Newtons Hauptbeschäftigungen. Seit dem Verlust seines Laboratoriums und eines Teiles seiner Manuskripte durch eine Feuersbrunst (1693) scheint er den Wissenschaften entfremdet worden zu sein, und es finden sich aus dieser Zeit eigentlich nur drei neue Arbeiten von ihm, nämlich eine Abhandlung über Temperatur (1701), eine Entwickelung der Ideen, die Hadley nachher durch seinen Spiegelsextanten realisiert hat, und endlich eine Auflösung des von Joh. Bernoulli vorgelegten Problems über die Brachistochrone oder die Linie der kürzesten Fallzeit. Seine Grabstätte fand er in der Westminsterabtei, seine Familie ließ ihm 1731 ein prächtiges Denkmal von Rysbrack errichten; im Trinity College zu Cambridge wurde 1755 seine Marmorstatue aufgestellt. Sein Bildnis s. Tafel »Naturforscher I«. Seine Werke wurden lateinisch von Horsley (Lond. 1779–85, 5 Bde.) herausgegeben. Sein Leben beschrieb Brewster (Lond. 1832, neue Ausg. 1893; deutsch von Goldberg mit Anmerkungen von Brandes, Leipz. 1833), der auch die »Memoirs of the [601] life, writings and discoveries of Sir I. N.« (2. Aufl., Edinb. 1860) herausgab. Eddlestone veröffentlichte seine »Correspondence« (Lond. 1850). Vgl. Rosenberger, Isaac N. und seine physikalischen Prinzipien (Leipz. 1895); Tait, Newton's laws of motion (Lond. 1899).

2) Charles Thomas, engl. Archäolog, geb. 13. Sept. 1816 in Bredwardine (Wales), gest. 28. Nov. 1894 in Westgate on Sea, wurde in Shrewsbury und Oxford gebildet und war 1840–52 in der archäologischen Abteilung des Britischen Museums angestellt. In letzterm Jahr ließ er sich, um im Archipel und an den Küsten von Kleinasien Ausgrabungen zu machen, als Vizekonsul nach Mytilene versetzen. Nach einigen Jahren entdeckte er bei Budrun das Mausoleum der Artemisia und machte 1856–59 Ausgrabungen auf Knidos und in Branchidä, die für das Britische Museum eine reiche Ausbeute ergaben. Im Mai 1860 ward er zum britischen Konsul in Rom, 1861 zum Inspektor der römischen und griechischen Altertümer am Britischen Museum ernannt. Er veröffentlichte: »Discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae« (Lond. 1862); »Travels and discoveries in the Levant« (1865, 2 Bde.); »The antiquities of Cyprus, discovered by L. Palma di Cesnola« (1873); »Description of the Castellani collection« (1874); »Essays on art and archaeology« (1880; daraus übersetzt von Imelmann: »Die griechischen Inschriften«, Hannov. 1881).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 601-602.
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