[326] Ostindien, oder das südliche Asien, begreift die westliche und östliche Halbinsel1 und eine Menge großer und kleiner Inseln. Am merkwürdigsten ist:
I.
Die westliche Halbinsel, von den darin wohnenden Hindus bei den Persern Hindostan oder Hindustan (Land des Hindus), bei den Eingebornen Bhertekunt genannt, ist in sehr vielen Rücksichten ausgezeichnet merkwürdig, und die Kenntniß derselben zur neuesten Zeitgeschichte durchaus nothwendig. So sehr sich aber auch der Fleiß neuerer Forscher auf dieses Land gelenkt hat, so verwickelt doch kein Theil von Asien den Wißbegierigen in ein so großes Labyrinth von Dunkelheiten als dieser, da nicht nur die dasigen [326] Gelehrten ihre Kenntnisse geheim halten, sondern auch die neuesten Nachrichten über den Zustand desselben nicht unbezweifelt gewiß sind. Die Größe von Hindostan ist 69,750 Deutsche Quadratmeilen; die Gränzen sind westwärts Candahar oder Ostpersien, nordwärts die Bucharei und Tibet, ostwärts Ascham und der Buremputer, auf den übrigen Seiten das Meer, und zwar gegen Südost der Bengalische Meerbusen, auf der südlichsten Spitze und gegen Südwest das Indische Meer, und gegen Westen unter Candahar der Meerbusen von Cambaya. Die größten Ströme sind im westlichen Theile der Indus, im östlichen der Ganges und Buremputer, welche zu den größten Gewässern der Erde gehören. Kein Stück der alten Welt ist reicher als dieses an innern Schätzen und für die handelnden Europäer ergiebiger; Edelsteine, besonders Diamanten, und edlere Metalle, Gewürze und edle Früchte aller Art, Seide, Baumwolle, Opium, Indigo, Sandelholz, Salpeter, Pfeffer und Reiß (welcher letztere an Statt des Brots genossen und vorzüglich stark gebaut wird) sinden sich in ungeheuerm Ueberfluß in diesem herrlichen Lande, das jedoch außerordentlichen Mangel an Salz leidet, und für Europäer wegen des heißen und sehr trocknen Climaʼ;s ziemlich nachtheilig ist.
Die innere Eintheilung der sehr zahlreichen Staaten ist folgende: Es hat drei Haupttheile, das eigentliche Hindostan, Bengalen (welche beide nicht zur Halbinsel gehören) und Decan. A) Das eigentliche Hindostan, auf der Nord- und Westseite, begreift Cambaya oder Guzurate gegen Südwest, das große Land der Seiks gegen West und Nordwest, die Länder des Zabeda Chan und der Dschaten oder Jauts gegen Norden, Benares und die Nabobschaft Ande oder Auhd gegen Osten, in der Mitte die Provinzen Delhi und Agra, gegen Süden die kleinern Länder Allahabad oder Elhadabat, Malva, Kandisch, Hyderabad u. a. B) Bengalen, gegen Osten (s. dies. Art.), mit der Hauptstadt Calcutta, welches jetzt den Engländern gehört. C) Decan oder der südliche Theil, dessen östliche Küste die von Coromandel, die westliche die Malabarische und weiter nordwärts die von Concan heißt, und wozu, außer den Ländern der [327] Europäer, folgendes gehört: 1) die Besitzungen der Maratten (s. diesen Artikel); 2) Golconda, in der Mitte von Decan und ostwärts, unweit des Bengalischen Meerbusens, dessen Regent der Nizam von Golconda oder Subah von Decan genannt wird; 3) Mysore, welches nach dem Marattenlande das größte war, und Mysore, Coimbettore, Bednut, Cananot und viele andere Provinzen begriff, aber unter Tippo Saib 1792 die Hälfte davon verlor (s. Tippo Saib); 4) die Nabobschaft Carnatic oder Arcot, ein langer Strich von der südlichsten Spitze an längs des Bengalischen Meerbusens; 5) Kochin und 6) Travancore, zwei kleine Länder am südlichsten Ende, und einige unbedeutende noch nicht bezwungene oder den Engländern und Indianern zinsbare Bezirke.
Von den Besitzungen der Europäer sind die wichtigen folgende: die Besitzungen der Ostindischen Compagnie der Engländer, welche das meiste hat und eine der wichtigsten Mächte Ostindiens ist2. [328] Sie sind in vier Präsidentschaften getheilt: 1) in die Präsidentschaft Calcutta oder Fort Wilhelm3; [329] dazu gehören: Bengalen, die größte, nebst der davon abhängigen Nabobschaft Aude, Benares, Bahar, Allahabad und zum Theil Orixa. 2) Madras oder das Jaghire- Land, am südlichern Bengalischen Meerbusen; es begreift außer vielen abhängigen Rajahs, z. B. von Arcot und von Tanjore, noch Madras an sich selbst, die so genannten fünf Circars (Elore, Condapilly, Rajamundri, Chicacole, und seit 1789 Condavir oder Guntur), welche einen 70 Deutsche Meilen langen Strich Landes an dem obern Meerbusen ausmachen, und die Eroberungen von Tippo Saib seit 1792. 3) Bombay, am Indischen Meere, es ist klein, und hat bloß die Orte Bombay, Tellichery, Anjengo, Surate, Fort Victoria und die kleine Insel Salsette bei Bombay, nebst Stücken von Tippo Saibs Lande von 1792 an. 4) Bencoolen. – – [330] Die sämmtlichen Französischen Besitzungen, nehmlich die Orte Pondichery und Karikal in Carnatic, Mahe in Mysore, und Chandernagor bei Calcutta haben seit 1793 die Engländer erobert. – – Auch die Holländischen Besitzungen4 hat sich England in dem gegenwärtigen Kriege unterworfen. – – Portugal behauptet bloß [331] Goa und Daman auf der Westküste Decans, und die Insel Diu im Cambavischen Meerbusen; und Dännemark besitzt auf der Küste von Caromandel die Stadt Trankebar und dabei die Festung Dansburg.
Die Geschichte von Hindostan war bei den Alten, selbst als schon Alexander dasselbe bis an den Hyphasisfluß erobert hatte, in lauter Fabeln und abenteuerliche Sagen gehüllt; besonders erzählte man viel von der großen Weisheit und Cultur der Hindus. Alexanders Nachfolger verloren dasselbe doch bald wieder durch die große Tapferkeit der Einwohner. Die Geschichte dieses Landes wird erst im Mittelalter interessant, da die Araber und durch sie die Italiäner über das rothe Meer und den Persischen Meerbusen, und die Russen durch die große Tartarei über das Kaspische Meer die Wolga hinauf oder durch Persien sehr viele Waren daher zogen. Zu Ende des zehnten Jahrhunderts eroberte ein Türkischer Stamm, die Ghazniden, ein ansehnliches Stück des eigentlichen Hindostan; allein er verlor alles durch die Patanen, welche sich von 1206 an ganz Hindostan, Bengalen und einen Theil von Decan unterwarfen, die Mongolen oft zurückschlugen, aber 1526, nachdem sie sich durch Theilungen und Empörungen zerrüttet hatten, von dem Mongolischen Chan Baber ganz überwältigt wurden (s. Mongolen). Mit Baber entstand nun das neue Reich des Großmoguls, das Hindostan, Bengalen und Decan, mit Ausnahme weniger kleiner unbezwungener Länder, enthielt, und mit den Europäischen Seemächten große Handelsverbindungen einging. Im Jahr 1498 fanden die Portugiesen durch Vasco de Gama den Weg nach Indien um Afrika herum, stürzten dadurch den Handel Italiens, eroberten viele Etablissements, und waren im ganzen 16. Jahrh. gleichsam im Besitz des Monopols der dasigen Handlung. Holland, das 1595 zuerst nach Ostindien segelte, überwältigte und vertrieb sie jedoch fast [332] ganz, und blieb das 17. Jahrh. hindurch im ausschließenden Handel, den seine Ostindische Compagnie betrieb. Auch Frankreich machte sich in der letzten Hälfte des 17. Jahrh. ziemlich wichtig. Alle diese Mächte, wie auch Dännemark, das einige Nieder assungen kaufte, sind jetzt ganz ohumächtig im Vergleich mit der Englischen Ostindischen Compagnie, welche in Rücksicht des Ostindischen Handels ganz Europa tyrannisirt. Schon im vorigen Jahrhundert hatte letztere nach und nach Bombay, Madras und einige Plätze in Bengalen an sich gebracht; allein von 1756 bis 1770 eroberte sie Bengalen, machte nachher die große Nabobschaft Aude von sich abhängig, bekam von dem Großmogul Bahar, Allahabad und einen Theil von Orira, eroberte 1792 ein ansehnliches Stück des Königreichs Mysore, und nahm, wie schon erwähnt worden, den Franzosen und den Holländern alle ihre Besitzungen in Ostindien. – Das unermeßliche Mongolische Reich, am meisten blühend bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, war seitdem durch Kriege der Europäer, häufige Empörungen der zu mächtigen Nabobs und durch Einäscherung seiner Hauptstadt Delhi im Jahr 1739 seiner besten Kräfte beraubt und durch mehrere innerhalb seiner Gränzen entstandene neue Reiche5 [333] sehr verkleinert worden. Endlich stürtzten die Maratten 1785 das Mongolische Reich; s. Mongolen. – Die neuesten Vorfälle in Ostindien sind der 1792 glücklich geschloßne Krieg der Englisch-Ostindischen Compagnie mit Tippo Saib, und die erwähnten Eroberungen der Französischen Besitzungen 1793 und der Holländischen 1795. Das zukünftige Schicksal dieser Halbinsel ist jetzt sehr schwankend, da die Engländer, Maratten und Seiks, als drei gleich mächtige Staaten, gleiche Hoffnung zur Alleinherrschaft haben. Jedoch ist nach den neuesten, obgleich noch ziemlich ungewissen, Nachrichten eine sehr wichtige Veränderung daselbst vorgegangen. Es näherte sich nehmlich ein kühner und seiner Herkunft noch unbekannter Heerführer, Zemann Schach, im J. 1797 den Gränzen der Seiks, drang in ihre Staaten ein, schlug sie, eroberte Delhi und drang mit schnellen Fortschritten nach der Unterjochung des größten Theils von dem eigentlichen Hindostan bis an die Gränzen von Benares vor; noch müssen wir jedoch abwarten, ob er seine Eroberungen behaupten und fortsetzen wird.
Die Regierungsverfassung von Hindostan ist noch immer ziemlich die nehmliche, wie sie vor der Zerstörung des Mongolischen Reichs war; sie ist von den Siegern aus Politik großen Theils beibehalten worden. Der Großmogul Akbar setzte in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts über jede Provinz einen Statthalter (Nabob, und in den weitläuftigsten Subah): und die Beherrscher derjenigen Provinzen, welche bei der Unterwerfung unter die Mongolische Herrschaft ihre alte Verfassung behalten hatten, hießen Rajahs, in kleinen Gebieten aber Poligars; einzelne unter den Nabobs stehende Districte hießen Circars, und ihre Verweser Zemindars. Alle Abgaben waren verpachtet, und der Druck der Pachter in spätern Zeiten trug sehr viel zur Verarmung der Mongolen und zum [334] Verfall ihres Reichs bei. – Die Einwohner sind von sehr verschiedner Art; die Eingebornen selbst, die Hindus (bei den Engländern Gentoos genannt), sind die zahlreichsten. Außerdem giebt es hier sehr viel Muhamedaner, die im Lande selbst Mohren heißen und durch die Eroberungen der Türken und Mongolen sehr zahlreich wurden; die übrigen sind Seiks, Patanen und Afghanen, Perser, Malabaren, Tamuler (auf den Küste von Coromandel) und Europäer. – Herrschende Sprachen sind die der Hindus, die Malayische im südlichen Theile, die Tamulische u. a. m. die Braminen oder Priester der Hindus haben eine geheime Sprache, die Sanskritsprache. – – Religionen sind, außer der durch Missionen stark verbreiteten christlichen, die Muhamedanische, die der Seils und die sehr merkwürdige und sonderbare Lehre der Hindus, über die in neuern Zeiten sehr viel geschrieben worden ist. Diese letztere ist außerorbentlich dunkel und ein Gewebe von zahllosen Fabeln, und die Mythologie und Lehre von der Erzeugung der Götter ist darin noch verwickelter als bei den Griechen. Diese Dunkelheit rührt theils daher, weil die von der Gottheit eingegebenen Vedams oder Religionsbücher in der dem großen Haufen unverständlichen Sanskritsprache abgefaßt sind, und von den Braminen, die sie selbst nicht recht verstehen, vor dem Volke geheim gehalten werden, theils daher, weil die Lehre der alten Vedams durch schlechtere neuere Religionsbücher und Commentare verunstaltet worden ist, und die Braminen den gemeinen Mann absichtlich mit abgeschmackten und abergläubischen Begriffen täuschen. Nach diesen schriftlichen Offenbarungen, besonders nach den neuern, giebt es 1) ein höchstes Urwesen, Karta, Parabrahma (welches die gemeinen Hindus gewöhnlich nicht annehmen), von dem alles als Theil seiner Vollkommenheit ausströmte – ganz die Lehre des Emanationssystems –; 2) drei von diesem erzeugte oder ausgeströmte Untergötter, die alle zusammen ein einziges Ganzes ausmachen (die Dreieinigkeit der Hindus), Namens: Brama oder Brahma, der Schöpfer, Wischnu oder Wistnu, der Erhalter, und Schiwen, der Zerstörende und Strafende, nebst ihren drei Weibern; 3) idealische Gottheiten und eine [335] Menge guter und böser Dämonen; 4) angebetete Wesen der erschaffnen Welt, z. B. Elemente, Himmelskörper, verstorbne Menschen von Verdienst, geheiligte Thiere und Bäume u. a. – Die Lehre der Hindus hat zwei Hauptsecten, die sich sehr hassen, die Anhänger des Schiwen, die zahlreichste, und die des Mischnu. Ihre Tempel heißen Pagoden (s. Pagode). – Sie glauben an eine Seelenwanderung, essen deßwegen in der Regel kein Thierfleisch, verletzen kein Thier, und halten einige derselben, besonders die Rinder, sehr in Ehren; auch nehmen sie ein ewiges Leben und einen Ort der Verdammung an. Ihre zahlreichen und sehr beschwerlichen Religionsgebräuche, die sehr genau befolgt werden, bestehen in Opfern, Fasten, Wallfahrten, Reinigungen, besonders aber in Enthaltung vom Thierfleisch, welches bloß die Hallachoras genießen, (s. Caste), und von hitzigen Getränken. Ueberhauyt aber empfiehlt ihre Religion eine große Mäßigkeit und Sanftmuth des Charakters; auch gehören beide zu den vorzüglichsten Eigenschaften der Hindus, wodurch sie sich vor allen andern Asiaten sehr vortheilhaft auszeichnen. Die Moral ihrer geoffenbarten Schriften ist sehr rein und musterhaft, und hat auf ihre Sitten den wirksamsten Einfluß. Mit derselben ist die Rechtswissenschaft genau verwebt; ja sie ist selbst ein Theil der Religion, da sie sich größten Theils auf angebliche Offenbarung gründet. Ihre göttlichen Gesetze werden dem Menu, Sohn des Brama, beigelegt, sind auf 3000 Jahre alt, und Jones hat sie aus der Sanskrit ins Englische, Hüttner aus letzterm ins Deutsche übersetzt. Sie enthalten zwar viele treffliche Anordnungen, hohe Achtung der Menschheit und die herrlichste Moral, zugleich aber ein System von Hierarchie, Despotismus und Aberglauben, verworrne physische und metaphysische Ideen und Strafen ohne Verhältniß.
Die Eintheilung in Casten (s. d. Art. Caste), und die Infamie, mit der die aus allen Casten verstoßnen Parias oder Hallachoras gebrandmarkt werden, zerstört nicht nur die allgemeine Eintracht und erzeigt einen gemeinschädlichen Familiengeist, sondern hindert auch alles weitere Fortschreiten in Künsten und Wissenschaften, und macht jede Beschäftigung zum ausschließenden Erwerbszweig einer besondern Volksclasse. [336] Kein Wunder also, daß die Hindus in der Geistescultur noch eben da stehen, wo sie vor vielen Jahrhunderten waren. Alle Wissenschaften sind in den Händen der Braminen: Medicin und Chirurgie werden ganz schlecht betrieben, Philosophie nicht viel besser, und eben so elend andre Wissenschaften; am weitesten ist man in der Naturlehre und Sternkunde gekommen. Auch fehlt es nicht an einigen Weiken der schönen Künste; dieß beweisen die Fabeln des Pilpai, das schöne alte Schauspiel Sacontala u. s. w. allein die bildenden Künste werden, die Baukunst ausgenommen, ohne allen Geist und Geschmack ausgeübt. Der gemeine Haufe lebt in größter Unwissenheit, kann sich nicht von dem Aberglauben und den Vorurtheilen seiner Urväter trennen, hat wenig Speculationsgeist, und treibt Ackerbau, Viehzucht, Handwerke, Bergbau, Handel (diesen besonders mit sehr vielen selbst verfertigten seidenen, baumwollnen und leinenen Zeugen) und einige mechanische Künste mit unermüdetem Fleiße, aber nach der von den Vorältern angeerbten Methode. Dabei ist er außerordentlich sanft- und gutmüthig; und seine große Gelassenheit, verbunden mit der erschlaffenden Kraft des heißen Climaʼs, erzeugt jene ununterbrochene Ruhe des Geistes und Körpers und jene Abwesenheit von heftigen Leidenschaften, worein die Religion der Hindus die größte Glückseligkeit des Sterblichen setzt. Viele Hindus sind sehr weichlich, viele Stämme aber auch sehr kriegerisch und unglaublich geduldig und standhaft in Ertragung alles Kriegsungemachs, z. B. die Maratten. Der Vorwurf der Treulosigkeit, den man ihnen gewöhnlich macht, rührt von ihrem Haß gegen die Europäer her, ist im allgemeinen ungegründet, und trifft bloß einige Völkerschaften, vorzüglich die Maratten, nebst den Muhamedanern, die weit unmoralischer sind als die Hindus6.
[337] II.
Die Halbinsel jenseits des Ganges (richtiger, jenseits des Buremputer), von jener gegen Osten gelegen. Die Gränzen sind: gegen Westen der Bengalische Meerbusen und Bengalen, gegen Norden Tibet, gegen Nordost China, und gegen Südost und Süden das Weltmeer und die Meerenge von Malacca. Producte und Clima kommen mit den der westlichen Halbinsel überein: die Fruchtbarkeit ist eben so groß, aber der Handel weit geringer, indem theils die Unterthanen noch träger und weniger gutherzig sind als die Hindus, theils die äußerst despotisch herrschenden Könige die Handlung ganz allein treiben und durch ihre Erpressungen allgemeine Armuth verbreiten; die Europäer haben daher hier sehr wenig Etablissements und Besitzungen. Die Sitten der verschiedenen dasigen Völker, die theils unter Chinesischer Herrschaft, theils unter eignen Beherrschern leben, sind denen der Hindus sehr ähnlich; und man kann sie mit jenen für ein einziges Hauptvolk halten. Die Hauptvölkerschaften sind die Barmanen oder Bomanen in Ava, die Chineser und vorzüglich die Malayer, welches Wort im engern Sinne die Einwohner von Malacca, im weitern alle diejenigen, welche Malayisch reden und gewöhnlich Muhamedaner sind, begreift. Die Malayische Sprache ist die vorzüglichste in diesem Theile von Ostindien, wird auch im südlichern Decan und auf den Inseln gesprochen, und ist eine der sanftesten und schönsten unter allen; außerdem giebt es [338] hier noch mehrere Sprachen, die Siamische, Barmanische, die bloß zum Gottesdienst übliche Balisprache u. a. – Die hauptsächlichsten Religionen sind die Muhamedanische und die Talapoinische. – Wir bemerken noch die einzelnen Reiche, von denen die berühmtern in besondern Artikeln abgehandelt worden sind. 1) das Königreich Ascham oder Azem in dem nördlichsten Theile, zwischen Bengalen und Tibet; es ist theils von Bengalen abhängig, theils von Ava unterjocht worden, und hat großen Ueberfluß an Seide, Gold und Silber. 2) die Königreiche Ava und Pegu. 3) das Königreich Siam. 4) das unbedeutende Königreich Laos oder Lao, zwischen Tunkin, Cochinchina, Cambodia, Siam, Pegu, Ava und China. 5) das Königreich Tunkin. 6) Cochinchina. Es hat seine eignen von China abhängigen Könige, ist in Sitten, Verfassung und Religion diesem Staate sehr ähnlich, und gränzt an das Weltmeer, Cambodia, Siam und Tunkin. Sein Handel nach Europa und China ist beträchtlich, aber bloß in den Händen der tyrannisch herrschenden Könige; und der ehedem große Wohlstand dieses an Naturproducten gesegneten Reichs ist durch Revolutionen und innere Kriege in den neuern Zeiten sehr gesunken. Zinsbar sind ihm der kleine südlichere Staat Tsiampa und 7) Cambodia oder Camboya, welches gegen Norden an Cochinchina gränzt, übrigens vom Meer umgeben wird und starken Handel nach Europa und China treibt. 8) Malacca oder Malaya; eine lange Erdzunge, die den südlichsten Theil der Halbinsel bildet, bis beinahe an die Linie herabgeht und bloß nordwärts mit Siam zusammenhängt. Es hat viele besondere zum Theil an Siam Tribut gebende Könige. Der Handel der Malayen ist beträchtlich, und die Producte des Landes sind trefflich. Die Nation selbst aber ist äußerst roh und wild und von Charakter sehr verdorben, besonders im Innern des Landes. Ihre Religion ist ein Gemisch aus der Muhamedanischen und heidnischen.
III.
Die Inseln, die in zahlloser Menge von den westlichen Küsten Decans bis in das stille Meer hinaus auf[339] beiden Seiten der Linie verbreitet liegen, und in Rücksicht auf den Handel und ihre innere Verfassung sehr bemerkenswerth sind. Die Einwohner derselben sind entweder gelblichbraun oder schwarz; ihre Religion ist die Muhamedanische oder das Heidenthum, und unter andern Sprachen wird die Malayische sehr stark gesprochen. Die wichtigern davon sind, wie sie von Westen nach Osten zu liegen, folgende: 1) die Maldivischen Inseln; sie machen nebst den Lakedivischen über 12000 aus, liegen westwärts von Decan vom 8. Grade nördlicher bis zum 4. Grade südlicher Breite, sind unfruchtbar, bloß wegen ihrer Cocusnüsse berühmt, und stehen alle unter einem König, der auf der größten, Maldiva oder Male, seinen Sitz hat. 2) Ceylon, s. dies. Art. 3) die zahlreichen Nicobarischen Inseln im Bengalischen Meerbusen, von der größten, Nicobar, so genannt; sie gehören der Dänisch-Ostindischen Compagnie, welche sie jedoch wegen ausgebrochner Krankheiten bald verlassen hat. Auf einer derselben, Nankawri, haben die Herrnhuter 1768 eine Missionsanstalt und Handelscomptoire angelegt. 4) die Andamanischen. Inseln, zwischen den vorigen und der Halbinsel jenseits des Ganges; klein und unbedeutend. Die größten sind 5) die Sundischen Inseln, Sumatra, Java, Borneo und Celebes, süd- und westwärts von der östlichen Halbinsel von Ostindien. 6) die Jolo- oder Suluhinseln, zwischen Borneo und Mindonao; sie haben ihren eignen Sultan, der auch ein Stück von Borneo besitzt, und treiben mit England bei ihrer Perlenfischerei und vortrefflichen Landesproducten einen beträchtlichen Handel. 7) die Moluckischen Ins., s. die Art. 8) die Philippinischen oder Manilischen Ins. 9) die Carolinischen oder Neuphilippinischen Inseln, südostwärts von den Philippinischen; sie gehören den Spaniern, wiewohl sie jetzt nicht von ihnen besetzt sind, und haben wenig Producte: man rechnet auch die Palaos- oder Pelewinseln, die zum Theil den Engländern unterthänig sind, dazu. 10) die Marien- oder Diebs- oder Ladroneninseln, von den vorigen nordwäts weit in das stille Meer hinein; Spanien eignet sich über sie eine Oberherrschaft zu.
1 Deren erstere man auch die Halbinsel diesseits des Ganges neunt, so wie diese die Halbinsel jenseits des Ganges, obgleich nicht der Gangesstrom, sondern der weiter ostwärts fließende große Buremputer die eigentliche Gränze macht.
2 Man hüte sich jedoch, die Englisch-Ostindische Compagnie bloß nach ihrer glänzenden Außenseite zu beurtheilen; denn ihre Administratoren brachten sie von Zeit zu Zeit, besonders seit der zweiten Hälfte dieses Jahrunderts, durch schlechte Finanzplane, ungeheure Verschwendung, Bedrückung, Kriege, verursachte Theuerungen u. s. w. sehr herunter: sie saugten die schönsten Provinzen aus, überhäuften die Compagnie mit einer bisweilen das Capital übersteigenden Schuldenlast; und ein Bankerott wäre unvermeidlich erfolgt, wenn sich nicht die Regierung der Compagnie von Zeit zu Zeit angenommen hätte. Am meisten war sie im J. 1773 in dieser Gefahr, wo sie 1 ½ Millionen Pf. Sterl. mehr Schulden als Capital hatte. Die Ursachen dieses Deficits waren nicht nur das jährlich an die königl. Schatzkammer zu entrichtende Don gratuit von 400,000 Pfund, welches ihr die Regierung nachher erließ, sondern auch die Theuerung in Bengalen, die auf 3 Millionen Menschen hinraffte, und die Unbesonnenheit der Administratoren, welche die Dividenden auf 12 ½ Procent erhöht hatten. Zwar hatte der Gouverneur Clive durch Eroberungen und Erwerbung mehrerer Handelsvortheile den Zustand der Compagnie sehr verbessert, und im Jahre 1773 wurden neue Einrichtungen zum Wohl derselben gemacht und die Regierung fester organisirt: allein unter Cliveʼ;s Nachfolger, dem (ersten) Generalgouverneur Hastings, schwanden die Schätze der Gesellschaft; und die beiden Provinzen verarmten, hauptsächlich Bengalen, obgleich die Compagnie viele neue Länder bekam. Die während Hastings Verwaltung geführten Kriege mit Hyder Aly, den Maratten und Franzosen, welche beinahe gar keine Vortheile brachten, vermehrten die Schuldenlast und das allgemeine Elend. Endlich i. J. 1784 legte Hastings seine Stelle nieder, nachdem das Parlament aufmerksam auf ihn geworden war, welches nun von Zeit zu Zeit Commissionen nach Ostindien schickte, die vielen Mißbräuchen steuerten. Der neue Generalgouverneur, Lord Cornwallis (von 1784 bis 1794), half den Bedrückungen so viel als möglich ab, verringerte die Schuldenlast der Compagnie, etablirte bessere Ordnung in den Finanzen, hob den Handel ungemein, und war auch im Kriege gegen Tippo Saib sehr glücklich. Dessen ungeachtet war bis jetzt der Zustand der Compagnie noch immer nichts weniger als glänzend; und man hat gegen die zu vortheilhaften Berichte, welche Dundas, Minister der Indischen Angelegenheiten, seit einigen Jahren von ihren Finanzen im Parlamente abgelegt hat, gegründete Zweifel erhoben. Sehr glückliche Jahre für dieselbe waren die Jahre von 1787 bis 1791, in welchen sie (nach einer Berechnung im Götting histor. Magaz. B. 3. St. 2.) 3,230, 846 Pf. Sterl. also jährlich 807,711 ½ Pf. reinen Gewinn zog. Ihr Dividend (d. i. der procentweise jährlich zu entrichtende Gewinn von jeder Actie) war i. J. 1773 zu 6 Procent herabgesetzt worden, konnte aber 1783, ungeachtet die Compagnie damahls sehr im Verfall war, auf 8 Procent erhöht werden; es ist auch offenbar, daß sie in den letzten Jahren noch mehr gewonnen. Der Verkauf ihrer Güter, welcher (nach einer Berechnung in Archenholz, Britt. Annal. VXI. B.) i. J. 1793. im Durchschnitt auf 4,988,127 Pf. geschätzt wurde, war nach und nach i. J. 1796 auf 9,531,893 Pf. gestiegen (ebendaselbst VXII. B.) Indeß hat die Compagnie immer viel Schulden, und es ist schwer ihr Vermögen bestimmt anzugeben. Wir bemerken noch, daß Cornwallis seine Stelle niederlegte, und daß dieselbe Shore bekam (1794); ein Mann, auf dessen Geschicklichkeiten die Engländer große Hoffnungen bauten.
3 Die Hauptstadt Calcutta in Bengalen ist der Sitz des seit 1773 bestimmten Generalgouverneurs, welchem ein hoher Rath von 5 Personen nebst einem höchsten, bloß vom Parlament abhängigen, Justizhof beigesellt ist. –
4 Die Holländische Ostindische Compagnie, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts die Portugiesen, die damahls den Alleinhandel nach Ostindien trieben, fast ganz daraus verjagte, besaß in Ostindien (worunter wir hier nicht bloß die westliche Halbinsel, sondern auch die beiden übrigen Theile dieses Landes verstehen): auf der Küste Malabar das Gouvernement Kochin u. verschiedene Orte in Travancore; auf der Küste Coromandel Paleacatte, u. a. treffliche Handelsorte in Bengalen; auf der Halbinsel jenseits des Ganges die Stadt u. den Hafen Malacca nebst mehrern Districten daselbst; von den Inseln einen großen Theil der Zimmtinsel Ceylon; die Küste von Java mit der Stadt Batavia; einige Provinzen, Festungen und Districte auf Sumatra und Celebes; einen großen Theil von Timor; in Borneo die Königreiche Sukkadana und Landak, vorzüglich aber die Molukkischen Inseln.Schon vor dem Neufränkischen Kriege fiel der Flor der Holländisch-Ostindischen Compagnie, welche ungeheure Summen gewonnen hatte, theils durch die Siege der Engländer, theils durch den Geitz der Holländer, theils auch durch den Despotismus und ungeheuern Aufwand der Compagniebeamten. Der Friede von 1783 entriß ihr den besten Platz auf Coromandel, Negapatnam. Endlich wurde ihr der Neufränkische Krieg so nachtheilig, daß ihre besten Besitzungen an die Britten verloren gingen, so daß sie jetzt im Sommer 1797 nur noch Java, folglich auch Batavia, welches in sehr gutem Stande ist, Ternate, die Hauptstadt Macassar und Palembang besaß.
5 Zu diesen besonders in der neuern Geschichte wichtigen Staaten gehören außer den Maratten, von denen in einem eignen Artikel gehandelt worden ist, noch der Staat des Subah von Decan, der sich 1793 losriß und hauptsächlich Golconda eroberte, der Staat von Mysore (s. Hyder Aly und Tippo Saib), die Seiks und verschiedene zum Theil Patanische Völkerschaften. Im gegenwärtigen Jahrhundert setzten sich nehmlich einige Völker des Mongolischen Reichs, die zum Theil Patanischen oder Afghanischen Ursprungs waren, im nördlichen Hindostan u. ganz nahe an Delhi fest; und zu diesen gehören die Oschaten oder Jauts, ein sehr mächtiges Volk, west- und südwärts von jener Hauptstadt, die neuerlich fast ganz aufgeriebenen sehr furchtbaren Rohillas, ostwärts von Delhi, und die Unterthanen eines seit der Mitte dieses Jahrhunderts berühmten Eroberers, Zabeda Chan, der nordwärts von Delhi ein Reich stiftete, dessen Sohn und Nachfolger, Golam Kandir, aber 1788 seine Lande durch die Maratten und Seiks verlor.
6 Die vorzüglichsten Aufklärungen über dieses Volk verdanken wir theils den Missionen, theils dem unermüdeten Fleiße des kürzlich verstorbenen Oberrichters in Bengalen William Jones, in s. Asiatick Researches (Deutsch unter dem Titel: Abhandlungen über die Geschichte u. d. Alterthümer Asiens, über s. von Kleuker); und über ihre Religion haben außer Jones auch Paulinus a Sancto Bartholomäo, in seiner Darstellung der Brachmanisch-Indischen Götterlehre, Gotha, 1797, 8. und Kleuker, in s. Brachmanischen Religionssystem, Riga, 1797, 8. neuerlich viel Vortreffliches gesagt. Sehr lesenswerth ist auch das vom Herrn Sprengel herausgegebene und ganz von Hindostan handelnde Jahrbuch der merkwürdigsten neuen Weltbegebenheiten auf das Jahr 1787. Berlin, b. Haude und Spener, in 16.
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro