[235] Troja (auch Ilium), die Hauptstadt der in Kleinasien gelegenen Landschaft Troas, an der Küste des Aegeischen Meeres, gegen den Hellespont zu, am Flusse Xanthus, nahe beim Berge Ida, hat dem berühmtesten aller Kriege des Alterthums, dem Trojanischen Kriege, den Namen gegeben. Die Veranlassung dazu war – ein Weib. Paris, des Priamus, Königs von Troja Sohn, hatte, (so lautet wenigstens die allgemeine Erzählung) den goldnen Apfel – der bekannter Maßen mit der Ueberschrift: der Schönsten, von Eris, der Göttin der Zwietracht, [235] in eine Versammlung der Götter geworfen worden war, und um welchen sich Juno, Pallas und Venus stritten – der letztern zuerkannt, als die Rivalinnen ihn, der auf dem Berge Ida weidete, zum Schiedsrichter aufgesucht hatten. Venus, welche ihm dafür das schönste Weib versprochen hatte, führte ihm auch wirklich auf einer Reise Helene, die Gemahlin des Königs Menelaus von Lacedämon und das schönste Weib in Griechenland, entgegen. Paris entführte und brachte sie nach Troja; die Griechen, von jenen Rivalinnen um den Preis der Schonheit aufgehetzt, boten nun, von dem tief beleidigten Menelaus aufgefordert, Alles auf, um diesen schimpflichen Raub zu rächen. Zwei Jahre brachten sie mit Zurüstungen zu der Belagerung Trojaʼs zu; und so entstand denn im Jahr der Welt 2790 jener berühmte Trojanische Krieg, bei welchem die größten Helden Griechenlands: Agamemnon, Bruder des Menelaus und Anführer dieser ganzen Expedition, Achilles und sein Freund Patroclus, Ulysses, Ajax, Nestor (s. alle diese Art. an ihrem Orte) und so viele Andre ihren Ruhm für die Nachwelt gründeten. Auch die Thebanischen Helden errangen in der Vertheidigung Trojaʼs ihre – freilich sehr blutigen Lorbeern: Hector, Priamus Sohn und Bruder des Paris (m. s. diesen Art. in den Nachtr.), der erste unter diesen Helden (er ward freilich auch mit so vielen andern ein schreckliches Opfer dieses Kriegs), Paris, Aeneas, Antenor, sind alles Namen, die gleichen Nachruf erlangt haben. – Zehn Jahre lang hatten nun die Griechen Troja belagert, und mußten endlich, da sie sie mit Gewalt schlechterdings nicht erobern konnten, zur List ihre Zuflucht nehmen. Sie hoben nun zum Schein die Belagerung auf, und segelten ab; allein vor der Stadt hatten sie ein ungeheures großes hölzernes Pferd hingestellt, in dessen Bauch sich die tapfersten ihrer Soldaten stecken mußten. Ein Grieche, Sinon, den man absichtlich zurückgelassen hatte, ließ sich fangen und in die Stadt vor den Priamus führen, dem er, da dieser vorzüglich von ihm erfahren wollte, was es mit dem Pferde für eine Bewandniß habe, erzählte, es sei zur Entschädigung für das (von Ulysses und [236] Diomedes) geraubte Palladium (s. dies. Art. III. 350.), und gab zugleich vor, daß, wenn man es in die Stadt brächte, diese dann eben so heilig und unüberwindlich sein würde, als das Palladium selbst. Das Volk bestand nun sogleich darauf, das Pferd in die Stadt zu ziehen. Laokoon, einer der vornehmsten Trojaner und Priester des Apollo und Neptun, widersetzte sich zwar dem Antrage aus allen Kräften, und trug vielmehr darauf an, die Maschine zu vernichten; allein ein sonderbares Wunder, indem er und seine Kinder beim Opfern von zwei großen, vom Meere sich daher windenden, Schlangen umwunden und getödtet wurde, schien ihn ganz zu widerlegen: die Trojaner zogen voller Jubel das Pferd in die Stadt, deren Thore sie, wegen der Höhe dieser Maschine einreißen mußten, überließen sich dann in der Nacht unbedachtsam genug dem Jubel, indessen der Bauch des Pferdes sich offnete, die Griechen herausstürzten und in Verbindung mit der Flotte, welche von der nahgelegenen Insel Tenedos auf ein von Sinon gegebenes Zeichen wieder zurückkam, die Stadt unter dem fürchterlichsten Blutvergießen eroberten und zerstörten. Priamus, der sich mit seinen Kindern in den Tempel geflüchtet hatte, wurde selbst hier am Altar niedergemacht – Paris, der Urheber dieses ganzen schrecklichen Unglücks, war schon vorher vom Polyctet erlegt worden.
So wird die Geschichte des Trojanischen Kriegs von Dichtern und Geschichtschreibern erzählt. Daß viel Fabelhaftes in derselben vorkomme, bedarf keiner Erwähnung; daß Dichter, wie Homer – der eben diesen Krieg in s. Ilias besungen hat (s. Th. II. S. 214.) – und nach ihm Virgil, viel aus der Mythologie und nach eigner Phantasie eingemischt, ist eben so sichtbar: daß man aber das Ganze für Erdichtung ausgegeben hat (wie z. B. der Engländer Bryant), ist eben wieder zu übertrieben, und hat auch von mehrern Gelehrten hinlängliche Widerlegung gefunden. Indessen ist unstreitig Troja selbst dadurch eine der berühmtesten Städte des Alterthums geworden. Auch verweilten die größten Helden und berühmtesten Könige, ein Xerres, Alexander, Cäsar etc. hier, und brachten Opfer. In der neuern Zeit, im 16. und 17. Jahrhunderte nach Chr. Geb., wurde dieser [237] Boden von mehreren, die nach Asien reisten, besucht und beschrieben; eben so auch im 18. Jahrhunderte von der gelehrten Lady Montagu, dann von Wood, der auch ein bedeutendes Werk darüber herausgab, von Chandler, und 1785 von Lechevalier, der diese Reise nach Troja auf Veranlassung des Französischen Gesandten Choiseul Gouffier noch einmahl, ja zum dritten Mahle mit diesem selbst wiederhohlte. Endlich trat der oben bereits erwähnte gelehrte Engländer Bryant auf, und suchte zu beweisen, daß das Homerische Troja, und der Krieg, wie ihn Homer geschildert, nie existirt habe. Indessen fand dieser sehr viel Widersacher; und Lechevalier selbst gab darauf (im 7. J. der Republ.) eine neue Beschreibung jener Trojanischen Ebene, wodurch nun wohl die wirkliche Existenz derselben unwiderleglich dargethan worden ist. – Die Ebene von Troja liegt beim Eingange der Dardanellen, auf der Küste von Asien, ist auf beiden Seiten von einer Reihe angenehmer Hügel eingefaßt, und überall sieht man die Grabhügel jener berühmten Helden, die dort geblieben sind. Vgl. Die Ebene von Troja, nach dem Gr. Choiseul Gouffier u. and. neuern Reis. etc. v. C. G Lenz. Neustrelitz, 1798.