Troja

[480] Troja oder Troas, die durch den trojanischen Krieg berühmte Stadt, lag etwas entfernt vom Meere in der gleichnamigen Landschaft, die an der Westküste Kleinasiens die Gegend am südl. Ausgange des Hellesponts, der heutigen Dardanellen, einnahm. Die kleine Stadt T. lag zwischen den vom Idagebirge kommenden Flüssen Skamander und Simonis, auf einem Hügel und soll von einem gewissen Teukrosum 1400 v. Chr. gegründet worden sein. Auf dem höchsten Punkte lag die Burg Pergamos, in welcher das Palladium (s.d.) verwahrt wurde und deren Name auch mitunter für die Stadt gebraucht ward. Die Trojaner hießen vom Teukros, ihrem ältesten Könige, auch Teukrer, wie sie nach dessen Schwiegersohn und Nachfolger Dardanos auch Dardaner genannt wurden. Erst von dem Enkel des Letztern, der Tros hieß, erhielten Stadt und Land den Namen Troas, von dessen Sohne und Nachfolger Ilos aber rührt die Benennung Ilion her. Sein Sohn und Nachfolger Laomedon, welcher als ein eigenmächtiger, wider Götter und Menschen treuloser Mann geschildert wird, baute die Mauern von T., wobei ihm Apollo und Neptun, weil sie sich gegen Jupiter empört hatten auf dessen Geheiß ein Jahr lang helfen mußten. Nachher betrog sie aber Laomedon um den bedingten Lohn und zur Rache ließ Neptun das Land durch ein Meerungeheuer verwüsten; Hercules erlegte dies endlich, da aber auch an ihm Laomedon wortbrüchig wurde, besiegte und erschlug er ihn, und ein Sohn desselben, jener Priamus, kam zur Regierung, in dessen hohem Alter der trojanische Krieg ausbrach, welcher zehn Jahre dauerte und nach gewöhnlicher Annahme 1184 v. Chr. mit Zerstörung der Stadt endigte. Die nächste Veranlassung zu diesem erbitterten Kampfe des vereinigten Griechenlands wider T. war der Raub der schönen Helena durch Paris (s.d.), den Sohn des Königs Priamus. Nachdem die Griechen vergeblich die Zurückgabe der Geraubten verlangt hatten, rüsteten sie, vom Menelaus, Gemahl der Helena, und dessen Bruder Agamemnon, König von Mykene, aufgefodert, eine große Flotte aus. Ganz Griechenland nahm Theil, und nach Homer, welcher in seiner Ilias die Unternehmungen der Griechen gegen T. schildert, brachten sie 1186 Schiffe zusammen, von welchen die größten mit 120 Mann, die kleinsten mit 50 M. besetzt waren, sodaß die Flotte an 100,000 M. am Bord gehabt hätte. Der Sammelplatz der Griechen war der Hafen von Aulis in Böotien, und Agamemnon, König von Argos und Mykene, welcher das stärkste Contingent ausgerüstet hatte und allein 100 Schiffe brachte, wurde von den übrigen Fürsten zum Oberbefehlshaber gewählt. Weil er jedoch auf einer Jagd einen der Diana geweihten Hirsch mit den prahlerischen Worten erlegte, jene Göttin selbst könne nicht besser treffen, hielt eine Windstille die Flotte zurück und im Heere brach eine Seuche aus. Der darüber befragte, hochangesehene und mit vor T. ziehende Wahrsager Kalchas erklärte, Diana räche damit den Tod des ihr geweihten Thiers und sei blos durch Aufopferung von Agamemnon's Tochter Iphigenia zu versöhnen. Nachdem dies geschehen war (s. Iphigenia), schifften die Griechen glücklich nach T., wo die Trojaner mit ihren Bundesgenossen die Landung vergebens zu hindern suchten.

Die vornehmsten griech. Helden vor T. waren außer Agamemnon und seinem Bruder Menelaus (welche Beide von ihrem Großvater oder Vater Atreus auch die Atriden heißen), Achilles (s.d.), der verschlagene Odysseus (s.d.), der große Ajax, als Sohn des Königs Telamon von Salamis[480] auch der Telamonier genannt, nach dem Achilles der schönste und tapferste unter den Griechen, groß und von seltener Körperkraft (daher man auch jetzt noch einen durch solche Eigenschaften besonders hervorragenden Krieger den Ajax seines Corps zu nennen pflegt); der andere oder im Vergleich mit dem vorigen auch der kleine Ajax, sowie der Lokrer und Ajax Oïleus als Sohn des Königs Oïleus von Lokris genannt; Nestor (s.d.); Diomedes, der mit ungemeiner Tapferkeit eine vom Nestor sogar hochgehaltene Klugheit verband; Idomeneus und Mexiones, welche in 80 Schiffen die Kreter herbeigeführt hatten; der als Bogenschütze berühmte Philoktet es, früherer Gefährte des Hercules (s.d.), von dem er Pfeile und Bogen erbte; Eurypylos aus Thessalien und Thoas, König zu Calydon und Pleuron, welcher in 40 Schiffen die Ätolier nach T. führte. Zu den ihnen gegenüber stehenden, vornehmsten trojanischen Helden gehörten des Königs Priamus Söhne, Deiphobus, Hektor und Paris (s.d.); Äneas (s.d.) und der Anführer von Bundesgenossen, Asius; Hektor war jedoch der Hauptanführer. Der erste Grieche, welcher ans Land sprang, war Protesilaos, Anführer der Streiter aus Phylace, Iton, Pteleon und andern Orten, wurde aber auch zuerst von den Trojanern getödtet. Nachdem darauf die Griechen festen Fuß gefaßt hatten, unternahmen sie Streifzüge in die umliegenden Länder und nahen Inseln, wodurch sie sich Beute und Mundvorräthe verschafften und manche Bundesgenossen der Trojaner vertrieben. Achill brachte dabei die schöne Briseïs, Agamemnon des Apollopriesters Chryses schöne Tochter Chryseïs als Sklavin in seine Gewalt. Vergeblich flehte der Vater um Zurückgabe seiner Tochter; vom Agamemnon schimpflich abgewiesen, rief er zu seinem Gott um Rache, und in dieser Zeit hebt die Iliade des Homer an.

Als jetzt eine schreckliche Seuche im griech. Lager ausbrach und der Seher Kalchas die Zurückgabe der Tochter des Apollopriesters foderte, entstand deshalb ein Streit zwischen Achilles und Agamemnon, der zwar nachgeben mußte, allein sich für die Chryseïs die Geliebte des Achilles, die Briseïs, zueignete. Der Letztere nahm nun mit seinen Kriegern am Kampfe nicht mehr Theil und mit Mühe bewog der bedrängte Agamemnon die schon muthlosen Truppen zu einem Treffen. Auf Hektor's Vorschlag kam man jedoch überein, die Sache auf einen Zweikampf des Paris (des Räubers der Helena) mit dem Menelaos (dem Beraubten) ankommen zu lassen, und sollten die Griechen abziehen, wenn Paris siege, im andern Falle aber Helena mit den geraubten Schätzen zurückerhalten. Allein Venus nahm sich des unterliegenden Paris an, welchen Menelaos schon am Helmbusche gepackt hatte und zu den Griechen hinüberziehen wollte, entrückte ihn in seinen Palast und die Schlacht ging vor sich. Hektor bestand in derselben einen Zweikampf mit Ajax dem Telamonier, in welchem er im Nacken und am Knie verwundet wurde und der damit endigte, daß beide Helden sich beschenkten. Im Verfolge des Kriegs erfochten jedoch die Trojaner wichtige Vortheile, und vergeblich suchten die Griechen den zürnenden Achilles zu versöhnen. Erst dann, als es den Trojanern gelang, bis zu den griech. Schiffen zu dringen und eins in Brand zu stecken, und als Patroklus, der Freund des Achilles, in dessen Rüstung den Bedrängten zu Hülfe geeilt, vom Hektor aber erlegt und geplündert worden war, ergreift Achilles wieder die Waffen, um den Tod des Freundes zu rächen. Vor seiner Wuth flohen alle Trojaner in die Stadt, nur Hektor hielt ihm endlich Stand und ward von ihm besiegt. und getödtet. Gegen ein Lösegeld erhielt Priamus des Sohnes Leiche und mit der Bestattung derselben schließt die Iliade. Allein auch Achilles fiel endlich und um seine Waffen entstand nun ein bitterer Streit unter den Griechen. Odysseus und Ajax, der Telamonier, machten den meisten Anspruch darauf, und als sie dem Erstern zugesprochen wurden, nahm sich Ajax darüber das Leben. Odysseus und Diomedes stahlen sich verkleidet nach T. hinein und raubten das Palladium (s.d.); auch Philoktetes, der krank auf der Insel Lemnos zurückgelassen worden, ward jetzt von mehren griech. Helden herbeigeholt, weil T. nicht ohne dessen Pfeile sollte erobert werden können, und von ihm wurde Paris getödtet. Zehn Jahre waren nun verflossen, und da die Griechen mit Gewalt nichts ausrichten konnten, griffen sie zur List. Auf den Rath des Kalchas und Odysseus ließen sie durch Epeus ein großes hölzernes Pferd, das berühmte trojanische Pferd, zimmern, in dessen Bauch sich 30 Helden verbargen. Darauf zündeten die Griechen ihr Lager an, begaben sich auf ihre Schiffe und segelten scheinbar davon. Die aus der Stadt sich herausdrängenden Trojaner wurden von einem deshalb zurückgebliebenen Griechen, Namens Sinon, unter dem Scheine eines an den Griechen verübten Verraths, überredet, das hölzerne Pferd sei ein Weihgeschenk der Minerva und blos darum so groß gebaut, damit sie es nicht in die Stadt bringen und dadurch das geraubte Palladium ersetzen könnten. Da ward vorgeschlagen, einen Theil der Mauer niederzureißen, um das Pferd dennoch hineinzubringen, aber viele Kluge widersetzten sich und wollten irgend einen Betrug in der verdächtigen Maschine sehen. Zu ihnen gehörte besonders der Priester des Apollo, Laokoon, der sogar seinen Spieß in das Pferd warf, um den Muth seiner Mitbürger dagegen zu spornen. Als er aber mit seinen Söhnen. von zwei Schlangen erwürgt worden (s. Laokoon), welche Minerva gegen ihn abschickte, die zur Erbauung des trojanischen Pferdes mitgewirkt hatte, gewann die Gegenpartei die Oberhand und das Pferd ward in die Stadt gebracht, wo man sich der Feier der Befreiung überließ. Allein in der Nacht ließ Sinon die im Pferde versteckten Helden heraus, die Griechen kehrten zurück und drangen durch die nun offene Mauer in die Stadt, welche ein Raub von Feuer und Schwert wurde. Beladen mit Beute traten die Griechen die Heimreise an, auf der aber Viele, Andere noch in der spät erreichten Heimat, durch Verrath ihren Untergang fanden. Einen Theil der Trojaner soll Äneas (s.d.) nach Italien geführt und sich mit ihnen das Reich der Lateiner unterworfen haben, weshalb auch die Römer von den Trojanern abzustammen behaupteten. Sie hielten selbst trojanische Spiele, die von berittenen Jünglingen im Circus aufgeführt wurden und noch von den eingewanderten Trojanern herstammen sollten. Nach ihrem Vorgange leiteten später mehre Städte ihre Gründung von trojan. Colonien her, allein über den Ort, wo das zerstörte T. stand, waren schon die Alten im Zweifel, obgleich Alexander der Große Leichenspiele. bei den Hügeln begehen ließ, welche ihm als Gräber [481] der von Homer gefeierten Helden bezeichnet wurden. Westlich vom alten Ilium entstand ein Neu-Ilium; die Unsicherheit der genauern Behauptungen über die Lage des alten hat sich aber bei den neuern Untersuchungen der Ebene von T. durch europ. Reisende immer von Neuem herausgestellt. – Außer Homer ist der trojanische Krieg besonders von den ihm nachahmenden sogenannten cyklischen Dichtern besungen worden. Im Mittelalter entstanden fast bei allen Völkern, welche eine gewisse Höhe der Bildung gewonnen hatten, prosaische und dichterische Bearbeitungen, und die deutsche des Konrad von Würzburg aus der Mitte des 13. Jahrh. nimmt eine vorzügliche Stelle unter den poetischen Werken jener Zeit ein.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 480-482.
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