[495] Ulrich Zwingli, geb. am 1. Jan. 1484 zu Wildhausen in der Grafschaft Toggenburg in der Schweiz. Er studirte zu Wien und Basel, und wurde, nachdem er 1506 zu Basel Magister geworden, als Prediger in Glaris angestellt. Eine ungleich einträglichere Stelle erhielt er 1519 in Zürich; und hier war es, wo er die Grundsätze der bessern Erkenntniß und geläuterten Religionslehre öffentlich predigte. Längst schon hatte sein im Denken geübter Geist die Mißbräuche des Papstthums verworfen; und bei dem allgemeinen Durst nach Wahrheit und einer von den Schlacken des Mönchthums und der Pfafferei geläuterten Religionslehre konnten seine Vorträge an das Volk ihre Wirkung nicht verfehlen. Zwingli, der weit [495] entfernt davon war, der Stifter einer neuen Religionsgemeinde werden zu wollen, arbeitete bloß darauf hin, daß seine Landsleute aufgeklärt, und von dem unerträglichen Joche des Papstthums befreit werden möchten. Er ließ im J. 1523 eine Versammlung ankündigen, wo denn Faber (Großvicar des Bischofs von Costnitz) vor erwählten Schiedsrichtern mit ihm disputirte, aber Zwingli den Sieg davon trug. Der große und kleine Rath des Zürcher Gebiets unterstützte ihn sehr thätig, und bat sich sogar seinen Rath über Regierungs-Angelegenheiten aus. Zwingli wurde daher nicht nur der religiöse Reformator seines Vaterlandes, sondern auch politischer. In dieser Rücksicht war er allerdings von Luther verschieden, mit dem er übrigens, die Hauptlehre vom Abendmahl abgerechnet, größten Theils übereinstimmend dachte1. Zwingliʼs Lehre wurde bald in dem ganzen Canton Zürich angenommen, und in der Folge auf einer andern Versammlung (1528) auch in den Cantons Bern, Basel und Schafhausen als die wahre aufgenommen. Es war zu bedauern, daß Zwingli, der gelehrte Kenntnisse mit Klugheit und edeln Eigenschaften des Herzens verband, nicht länger in Thätigkeit blieb. Ein Krieg, den die altgläubigen Cantons gegen die übrigen nur gedachten führten, welche der neuen Lehre Beifall gaben, und dem Zwingli als Feldprediger beiwohnte, raubte ihm das Leben. Er blieb in der Schlacht bei Cappel am 11. Oct. 1531. Sein Leichnam wurde noch von den Feinden auf die unwürdigste Art verstümmelt; aber sein Ruhm blüht unverwelklich in den Herzen seiner Anhänger.
1 Eine auffallendt Abweichung dieses Schweizerischen Reformators von Luthern war die, daß er, fast noch ein stärkerer musikalischer Dilettant, als Luther, doch in Ansehung der Kirchenmusik ganz diesem entgegen war. Er wollte den Gesang und die Orgel ganz aus der Kirche verbannt wissen. Er entwarf deßbalb eine Supplik an den Magistrat zu Basel, trat damit vor die Rathsversammlung, und fing an, sie im Ton der gewöhnlichen Psalmodien abzusingen. (Auf diese Art nehmlich glaubte er die Väter der Stadt von der Lächerlichkeit, auch Gott die singenden Bitten vorzutragen, zu überzeugen.) Wirklich wurde auch auf kurze Zeit der Kirchengesang abgeschafft; aber nur zu bald fand man, daß der Gesang allerdings die Herzen weit mehr zur Andacht erhebe, und – man sang wieder, wie zuvor.