[274] Bobbinet oder Maschinenspitzengrund, ein durchsichtiges baumwollenes oder seidenes Gewebe, gewöhnlich Spitzengrund genannt, welches dem einfachen glatten geklöppelten Spitzengrunde vollkommen gleicht und wie dieser zu Putz für das weibliche Geschlecht verwendet wird.
Die Verfertigung dieses Stoffes wird auf eignen, sehr künstlichen Maschinen oder sogenannten Stühlen betrieben, von denen hier einer abgebildet ist. Die lange hölzerne Walze (1) heißt der Kettenbaum, weil um sie die Fäden (3) gewickelt sind, welche die Stelle der Kette bei gewöhnlichen Webereien vertreten. Von da gehen sie senkrecht aufwärts durch einen Kamm und sogenannte Fadenleiter, von denen sie in völlig gleicher Entfernung voneinander und zugleich genau nebeneinander gehalten werden, und mitten durch den aus zwei Hälften bestehenden gebogenen Theil bei (4) bis zu der Walze (2) oder dem Zeuchbaume, an dem sie befestigt sind und der das fertige Zeuch aufzunehmen bestimmt ist. Die Bildung des Gewebes geht bei (4) durch Einflechten der den Kettenfäden an Zahl gleichen und am Ende derselben befestigten Einschlagfäden vor sich. Jeder derselben ist auf eine Spule gewickelt, welche aus zwei sehr dünnen Messing- oder Eisenblechscheiben besteht, die im Mittelpunkte verbunden, zusammen nur 1/4 bis 1/3 Linie stark sind und 11/2 Zoll im Durchmesser haben. Diese Spulen vertreten die bei der gewöhnlichen Spitzenverfertigung gebräuchlichen Klöppel und stehen auf dem gekrümmten Theile in einer Reihe und in genauen Gleisen den Zwischenräumen der Kettenfäden gegenüber. Das Einflechten geschieht, indem die Spulen zwischen den Kettenfäden durch vor- und rückwärts geschoben werden, wobei sie auf dem halb hinter, halb vor den Kettenfäden liegenden, gekrümmten Theile bei 4 hin und her gleiten. Der Zwischenraum in der Mitte ist nämlich so klein [274] daß er kein Hinderniß für die Bewegung der Spulen abgibt. Da jedoch die Einschlagfäden in der Art schräg eingeflochten werden sollen, daß z.B., wenn zu ellenbreitem Bobbinet 700 Ketten- und also ebenso viel Einschlagfäden aufgespannt worden sind, die Spulen der letztern, nachdem 350 Maschen gebildet worden, ihre Stellung in der Art verändert haben, daß die erste derselben die Stelle der letzten u.s.w. eingenommen, nach abermaligen 350 Maschen aber jede ihren ursprünglichen Platz wieder gewonnen hat, so müssen nicht nur die gekrümmten Theile mit den Spulen, sondern auch alle Kettenfäden sich gleichmäßig seitwärts hin und her bewegen lassen, um die Einschlagfäden nach und nach durch alle Zwischenräume der Kettenfäden führen zu können. Während auf diese Art das Weben vor sich geht, sind die Walzen 1 und 2 in sehr langsamer und übereinstimmender Umdrehung begriffen, und die Schnelligkeit, mit welcher der Zeugbaum das Gewebe aufnimmt, bestimmt zugleich die Größe der Maschen oder Öffnungen desselben. Bei der abgebildeten Maschine werden diese verschiedenen Bewegungen mittels eines sehr sinnreichen Mechanismus durch Umdrehung des Rades 5 mittels Wasser, Dampf oder einer andern Kraft bewirkt, zu welchem Ende ein endloser Riemen über dasselbe gezogen ist. An minder vollkommenen Maschinen geschehen jene Bewegungen durch Drehen, Treten, Schieben und Ziehen eines Arbeiters. Das fertige Gewebe wird über einer Weingeistflamme gesengt, um alle kleinen Fasern desselben zu entfernen, hierauf gebleicht, mit gekochter Stärke zugerichtet, ausgespannt getrocknet und in Stücken von der Breite eines Fingers bis zwei Ellen und drüber, und von sehr verschiedener Länge in den Handel gebracht. Die Schönheit des Bobbinet wird durch die Feinheit des Fadens, die vollkommene Gleichheit der Maschen in Form und Größe und durch die Kleinheit derselben bestimmt.
Die Bobbinetstühle gehören zu den neuern engl. Erfindungen, [275] gleichwol ist es nach mehrfachen Versuchen dem sächs. Fabrikherrn Friedr. Georg Wieck schon 1830 gelungen, in Chemnitz vier solche Stühle nach eignen Ideen aufzustellen und dadurch die Veranlassung zu Errichtung eines Actienvereins unter dem Namen sächs. Bobbinetmanufactur zu geben, dessen Unternehmungen seitdem in stetem Wachsthume begriffen sind. Die Fabrik wurde 1832 nach Harthau verlegt, besaß nach drei Jahren schon 20 Stühle, deren Anzahl noch fortwährend vermehrt wird und denen an Vollkommenheit wenig engl. gleichkommen; auch werden alle Theile dieser sinnreichen Maschine am Orte selbst verfertigt.