Cartouche

[386] Cartouche (Louis Dominique Bourguignon, genannt), geb. 1693 zu Paris und berüchtigt als der gewandteste und keckste Dieb und Gauner seiner Zeit, war der Sohn eines redlichen Handwerkers, wurde aber schon in der Jugend wegen Diebereien aus der Schule und später als unverbesserlich aus dem älterlichen Hause verstoßen. Er gesellte sich [386] hierauf zu einer Diebsbande, welche in der Normandie ihr Wesen trieb, nahm den Namen C. an, und zeichnete sich durch List und Verwegenheit unter seinen Spießgesellen so aus, daß sie ihn zum Anführer wählten. Er verlegte nun den Schauplatz seiner Unthaten nach Paris, gab seiner zahlreichen Bande Gesetze, welche ihm das Recht über Leben und Tod seiner Genossen zusprachen, und war bald durch seine verwegenen Diebstähle der Schrecken der Hauptstadt. Ein hoher Preis, welcher auf seine Person ausgesetzt wurde, blieb lange ohne Wirkung, endlich aber bemächtigte man sich C.'s in einem Wirthshause, und da ihm die Flucht aus dem Kerker, dessen Mauer er schon durchbrochen hatte, nicht gelang, wurde er nach einem Proceß von mehren Monaten verurtheilt, lebendig gerädert zu werden. Keine Folter hatte ihm Geständnisse über seine Mitschuldigen entreißen können, als er aber auf dem Richtplatze die Hoffnung, von seinen Genossen befreit zu werden, nicht in Erfüllung gehen sah, gab er noch kurz vor seinem Tode die gewünschten Aufklärungen. Seine Geschichte war während des Processes für das franz. Theater bearbeitet worden, und franz. Leichtsinn gestattete die erste Aufführung des Stücks an C.'s Todestage.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 386-387.
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