Fideicommiss

[36] Fideicommiss nennt man eine letztwillige Verordnung, wodurch Jemandem auferlegt wird, eine Erbschaft ganz oder theilweise oder nur einen einzelnen Gegenstand derselben einem Andern auszuliefern; sowie auch die auszuliefernden Sachen selbst. Besteht das Fideicommiß in der ganzen Erbschaft oder in einem Theile derselben, so ist es ein Universal-, besteht es aber blos in einzelnen Dingen, so ist es ein Singular-Fideicommiß. Von letzterm gelten ganz dieselben Grundsätze, welche bei den Vermächtnissen (s.d.) vorkommen, und während das erstere blos dem Erben auferlegt werden kann, darf das letztere auch jedem Andern angesonnen werden, welcher aus der Erbschaft etwas erhält. Der Erblasser hat das Zutrauen zu seinem Erben, daß er seinen Willen respectiren werde, er vertraut seiner Treue Dasjenige an (lat. fidei committit), was er herausgeben soll. Derjenige, dem er dies Zutrauen schenkt, heißt der Fiduciar, Derjenige, zu dessen Gunsten diesem etwas anvertraut wird, der Fideicommissarius, der Anvertrauende selbst aber der Fideicommittens. Es würde indeß sehr hart sein, wenn Jemand blos deswegen zum Erben eingesetzt wäre, um die Erbschaft einem Andern herauszugeben; deshalb ist es dem Fiduciar gestattet, den vierten Theil des Fideicommisses, nach Abzug aller Schulden, zu Kosten und für sich zu behalten. Ist keine Bedingung und kein Zeitpunkt der Herausgabe beigefügt, so ist der Fiduciar verpflichtet, 30 Tage nach dem Tode des Erblassers das Fideicommiß auszuliefern. Die Kinder, Enkel und Ältern des Erblassers ziehen aber, wenn sie mit einem Fideicommiß beschwert worden sind, sofort bei dem Antritte der Erbschaft ihren Pflichttheil ab, und außerdem bei der Ablieferung des Fideicommisses noch den erwähnten vierten Theil (die sogenannte Quarta Trebellianica). Der Fiduciar darf über die Gegenstände des Fideicommisses (die Substanz der Sache im Gegensatze der Nutzungen) nicht verfügen, alle seine Veräußerungen in dieser Beziehung sind daher nichtig; doch kann nicht er selbst, sondern nur der berechtigte Fideicommissar sie anfechten. Dieser überträgt sein Recht auch auf seine Erben, sobald er nur den Testator überlebt hat und die Bedingung oder der Zeitpunkt eingetreten ist, unter welchen ihm das Fideicommiß bestimmt wurde. Doch kann der Testator auch dem Fideicommissar eine oder mehre Personen [36] substituiren (an die Stelle setzen), welchen die Erbschaft nach der Reihe ausgehändigt werden soll. Diese Substitution unterscheidet sich indeß von der im Erbrechte vorkommenden sogenannten Vulgarsubstitution dadurch, daß bei dieser der zweite Erbe nur dann Erbe werden kann, wenn der erste oder directe Erbe wegfällt, bei dem Universal-Fideicommiß dagegen der zweite Erbe nur dann Anspruch an die Erbschaft machen kann, wenn der directe Erbe wirklich Erbe geworden, die Erbschaft angetreten hat. Aus dieser Art der Substitution ist auch das sogenannte Familien-Fideicommiß entstanden, worunter man eine Anordnung versteht, vermöge welcher ein gewisses Gut, es mag nun in Grundstücken oder in Capitalien bestehen, sich in einer Familie forterben soll. Es muß indeß ausdrücklich dabei bemerkt werden, daß die Veräußerung des Guts zum Besten der Familie untersagt sei. Besteht das Fideicommiß in Grundgütern, so wird erfodert, daß der Lehnsherr oder bei Allodialgütern der Gerichtsherr dasselbe bestätige. Ein Familien-Fideicommiß kann der Regel nach blos auf die männlichen Nachkommen des Stifters übergehen, wenn nicht der Stifter selbst eine bestimmte Successionsordnung festgesetzt hat. Die Veräußerung eines Fideicommisses ist nur dann gültig, wenn sie zur Tilgung von Schulden, welche der Stifter gemacht, nothwendig war. Doch kann auch aus andern erheblichen Ursachen, wohin man selbst einen zu hoffenden nicht unbeträchtlichen Gewinn zählt, das Fideicommiß veräußert oder aufgehoben werden, nur müssen dann sämmtliche Interessenten einwilligen und keine Kinder und Kindeskinder des Stifters oder Verwandte im ersten und zweiten Grade des mit dem Fideicommiß Beschwerten vorhanden sein. Von selbst erlischt aber das Familien-Fideicommiß erst dann, wenn die ganze Generation, für welche es bestimmt war, ausstirbt. Der letzte Besitzer kann dann frei über das Fideicommiß verfügen, und es fällt wieder in den unbeschränkten Verkehr zurück.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 36-37.
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