Findelhäuser

[40] Findelhäuser sind Anstalten, wo von ihren Ältern verlassene und ausgesetzte Kinder unentgeltliche Aufnahme, Pflege und Erziehung finden. Nicht blos gefundene Kinder, sogenannte Findlinge im engern Sinne, finden hier Aufnahme, sondern auch solche, welche von ihren Ältern selbst der Anstalt übergeben werden, weil sie nicht im Stande sind, sie zu erziehen. Um größere Verbrechen, namentlich den Kindermord, zu verhüten, ist es auch gestattet, daß ohne alle Angabe des Namens und des Grundes Kinder den Findelhäusern übergeben werden; oft wird indeß irgend ein Erkennungszeichen beigefügt, damit die Ältern späterhin, wenn sich vielleicht die Umstände geändert haben, ihre Kinder wiedererkennen und zurückerhalten können. Institute ähnlicher Art gab es schon im 6. Jahrh. zu Rom und Trier, ihnen folgten eine Menge anderer Städte nach, namentlich rief aber der fromme und mildthätige Sinn des Mittelalters eine Menge ähnlicher wohlthätiger Anstalten für kranke, arme und verwaiste Kinder hervor. Bei den in neuerer Zeit eingerichteten Findelhäusern, deren fast jede große Stadt eins aufzuweisen hat, geht der Zweck besonders dahin, Verbrechen zu verhüten und der Verzweiflung leichtsinniger und sträflicher Ältern einen Ausweg zu zeigen, um wenigstens ihre Kinder vom Untergange zu retten. Die Leichtigkeit, mit welcher sich hier gewissenlose Ältern ihrer Kinder entledigen können, hat zu dem Vorwurfe Veranlassung gegeben, daß die Findelhäuser die Immoralität nur noch vergrößerten; allein im Moment des Verbrechens wird nie an die Zukunft gedacht und der Leichtsinn oder die Leidenschaft läßt sich durch die Rücksicht auf die Folgen selten abschrecken.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 40.
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