[329] Hanf (der) ist eine in mehrfacher Hinsicht höchst wichtige und nützliche Pflanze, welche ursprünglich in Persien und Südasien einheimisch gewesen ist, aber schon seit den ältesten Zeiten in Europa und jetzt in den meisten Feldbau treibenden Gegenden angebaut wird und sich auch hier und da verwildert findet.
Die beiden Geschlechter lassen sich sehr leicht unterscheiden. Die männlichen Hanfpflanzen haben ihre blos Staubgefäße enthaltenden Blüten in ansehnlichen, einfachen oder zusammengesetzten Trauben stehen. Die weiblichen Pflanzen sind höher, robuster und haben größere und dunklere Blätter; die unansehnlichen Blüten sitzen gehäuft in den Achseln der obern Blätter. Gewöhnlich erreicht der Hanf eine Höhe von 4–8 F.; in gutem Boden wird er aber noch höher und in Indien findet sich eine Abart, Riesenhanf, der bis 15 F. und drüber hoch wird. Die Blütezeit fällt in Deutschland in die erste Hälfte des August, und kurz nach derselben müssen die männlichen Hanfpflanzen, die sonst verwelken und unbrauchbar werden würden, vorsichtig, ohne dabei die weiblichen zu beschädigen, ausgezogen werden Man nennt dies das Femeln oder Fümeln, weil der männliche Hanf Femel genannt wird. Dieser Name rührt wahrscheinlich von dem röm. Femella, Weib bedeutend, her, sowie der Name Mastel oder Bastel, womit man den weiblichen Hanf belegt, von dem röm. Mas, Mann, abzuleiten ist. Die Römer hielten nämlich die stärkern, kräftigern, samentragenden Pflanzen für männliche und die schwächern für weibliche Individuen. Nach dem Femeln haben die weiblichen Pflanzen mehr Raum und breiten sich, noch sechs Wochen lang fortwachsend, aus, worauf auch sie entweder ausgezogen oder am Grunde abgeschnitten werden. Die Gewinnung der Hanffäden aus den Stengeln findet auf ähnliche Weise, wie die des Flachses (s.d.) aus den Stengeln des Leins statt. Den meisten Handel mit Hanf treibt Rußland, und mehr als die Hälfte von diesem Hanf wird über Petersburg, der übrige größtentheils über Riga und nur wenig über Narwa und Archangel verschifft. Über Petersburg werden etwa jährlich im Durchschnitt über 2 Mill. Pud, also über 80 Mill. Pf. Hanf ausgeführt. Nach Rußland erzeugt besonders Polen und Preußen viel Hans. Es ist hinreichend bekannt, daß man aus dem Hanfgarn nicht nur sehr dauerhafte, feinere und gröbere Zeuche, Segeltuch u. dgl., sondern auch Stricke, Taue und viele andere Gegenstände verfertigt. Die Blätter und Stengelspitzen haben einen so starken, unangenehmen und betäubenden Geruch, daß man, ohne Kopfschmerzen zu bekommen, nicht lange, besonders nicht gegen Abend, in der Nähe von Hanfpflanzungen [329] verweilen kann. Ihr Geschmack ist bitter. Auf ihren Genuß folgen ähnliche Wirkungen, wie auf den des Opiums. In den warmen und heißen Ländern besitzen sie ausgezeichnet berauschende Eigenschaften und werden deshalb im Oriente auf verschiedene Weise und durch Zusätze von Gewürzen und andern Dingen, z.B. Opium, Moschus und dergl., zur Bereitung berauschender Getränke verwendet. Die Orientalen verfertigen auch Pillen aus Hanf, indem sie die Blätter und blühenden Spitzen weiblicher Pflanzen trocknen, zu Pulver reiben und Honig, Arekanüsse, Gewürz, selbst Nieswurz und dergl. beimischen. Sie nennen dieselben Fröhlichkeitspillen und verschlucken sie stückweise. Auch wird der Hanf für das berühmte Nepenthes der Alten, ein die Traurigkeit verscheuchendes Kraut und daraus bereitetes Getränk, gehalten. In Indien bedient man sich seiner nicht selten als eines Arzneimittels und in Persien zu Fußbädern, um die Müdigkeit aus den Füßen zu vertreiben. In Europa werden vornehmlich nur die Früchte als Samenmilch oder Emulsionen bei entzündlichen Krankheiten angewendet, doch bereiten die Homöopathen einen weingeistigen Auszug des Krauts gegen mancherlei Nervenleiden. – Aus den Früchten, dem sogenannten Hanfsamen, erhält man durch Schlagen oder Auspressen das Hanföl, welches eine gelbliche oder blaßgrüne Farbe hat, leicht trocknet und zum Brennen, zur Bereitung der grünen und schwarzen Seife, zu Wagenschmiere und wol auch bei der Bereitung von Speisen verwendet wird.