Instinct

[450] Instinct oder Naturtrieb ist das der thierischen Seele eigenthümliche Gefühl, durch welches die Thiere in ihren Verrichtungen bestimmt werden. Auch der Mensch hat Instinct, wie er eine thierische Seele hat; aber er besitzt auch zugleich einen vernünftigen Geist und dieser ist um so mächtiger in ihm, je höher gebildet der Mensch ist; daher tritt beim Menschen der Instinct um so mehr in den Hintergrund, je mehr derselbe wahrhaft gebildet ist. Es gibt gewisse Naturtriebe, welche allen Thieren gemeinschaftlich sind, namentlich der Trieb der Selbsterhaltung, welcher das Thier antreibt, Gefahren zu entfliehen oder sich gegen sie zu vertheidigen, der Trieb, Nahrung zu suchen und zwar die ihm eben zuträgliche Nahrung und der Geschlechtstrieb. Fast jede Thiergattung hat aber noch besondere Instincte, durch welche ihre eigenthümliche Thätigkeit bestimmt wird; so hat die Biene den Instinct, künstliche Wohnungen zu bauen und mit Honig zu füllen, der Hamster den Instinct, Wintervorräthe einzusammeln, die Spinne den Instinct, Fangnetze zu weben u.s.w. Man thut aber Unrecht, wenn man den Instinct und die höhern Geisteskräfte des Menschen einander schlechthin entgegensetzt, denn der Instinct lehrt dem Thiere, Das zu thun, was unter seinen Verhältnissen eben das Vernünftige und Verständige ist, und Verstand und Vernunft des Menschen unterscheiden sich wesentlich nur dadurch vom Instinct, daß sie ein Bewußtsein von Dem, was das Vernünftige und Verständige ist, enthalten. Der Instinct ist unfrei aber fischer der menschliche Verstand frei, aber eben darum dem Irrthume ausgesetzt. Vom Thiere unterscheidet sich der Mensch dadurch, daß er sich über den Instinct zur Freiheit, zum Willen, zu erheben vermag. Es ist keine Frage, daß auch einige kluge Thiere den Instinct so auszubilden vermögen, daß sie sich dem menschlichen Verstande damit annähern; aber auch bei dem klügsten Thiere bleibt selbst da, wo es Überlegung zu äußern scheint, der Instinct immer das Vorherrschende, während der Mensch schon durch seine Leidenschaften zeigt, daß bei ihm der Instinct von der Willenskraft, auch wenn er sich thierischer Roheit annähert, beherrscht wird.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 450.
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