Vernunft

[593] Vernunft (die), das edelste Gut des Menschen und Das, was er vor den Thieren der Erde voraus hat, ist die Quelle der von innen heraus sich entwickelnden Vervollkommnung der Menschheit, die erhabenste Äußerung der Geistes- oder Seelenthätigkeit. Sie ist das Vermögen des Übersinnlichen, des Idealen, des über Zeit und Raum Erhabenen, des Ewigen, und die von ihr erzeugten Vorstellungen heißen vorzugsweise Ideen. Denn die Vernunft ist nicht vorzugsweise auf das Zeitliche und Sinnliche hingewiesen und an das Gebiet der Erfahrung gebunden, wie der Verstand, für den sie als sittliche Gesetzgeberin (praktische oder moralische Vernunft) auftritt, während die theoretische oder speculative mit geistigem Bewußtsein das Wissen über die Schranken der Erfahrung zu erweitern strebt. Sie ist daher die höchste Stufe menschlicher Thätigkeit, die Quelle der Einheit und des höhern Zusammenhangs von Gedanken und Entschließungen, wobei ihr aber auch der Verstand (s.d.) zur Hand gehen muß, denn dieser ist so wenig ausschließlich auf Sinnliches und Zeitliches, wie jene allein auf Übersinnliches beschränkt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 593.
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