Kirchweihe

[608] Kirchweihe ist ursprünglich das sowol in der katholischen als in der evangelischen Kirche gebräuchliche Fest der feierlichen Einweihung eines Gebäudes zum Gottesdienst, also zur Kirche, sowie die jährliche, ursprünglich auf den Tag der ersten Einweihung fallende Feier, an welcher sich der Christ der Wohlthat der Kirche und des ihm in ihr gestatteten freien Bekenntnisses seines Glaubens erinnern soll. Bei den Katholiken unterscheidet man die eigentliche Kirchweihe (consecratio), welche nur ein Bischof oder ein von dem Papste ausdrücklich mit diesem Rechte beauftragter Priester vollziehen kann, von der bloßen Einsegnung (benedictio), die jeder Priester verrichten darf. Bei den neu eingesegneten Kirchen findet keine jährliche Wiederholung des Kirchweihfestes statt, übrigens aber wird in ihnen der Gottesdienst ebenso und mit demselben Erfolge verrichtet, wie in den consecrirten Kirchen, wenn nur der Altar mit einem [608] von dem Bischofe eingeweihten Altarsteine versehen ist. Bei der Consecration finden eigenthümliche Feierlichkeiten statt, welche sich theils im Allgemeinen auf die katholische Kirchenlehre, theils auf den Heiligen beziehen, welcher von dem Gründer der Kirche zum Patron oder Schutzheiligen der neuen Kirche erwählt ist. Die Überreste des Heiligen oder die sonstigen Reliquien, durch welche der dem Gottesdienste geweihte Ort eine besondere Heiligkeit erhalten soll, werden bei dieser Gelegenheit feierlich im Hauptaltare beigesetzt. Das Fest einer Consecration währt acht Tage, indem diese Zeit hindurch der Gottesdienst auf die Einweihung des Gotteshauses sich bezieht. Die Evangelischen weihen ihre Kirchen nur durch Gebet und Predigt, welche sich auf das Glück des Besitzes einer Kirche und des öffentlichen Bekenntnisses bezieht. – Auch solche Gotteshäuser, welche eine Zeit lang dem kirchlichen Gebrauch entzogen waren, oder durch ein unheiliges Ereigniß entweiht wurden, pflegen durch eine neue Weihe dem Gottesdienste wiedergegeben zu werden. – In katholischen sowol als in evangelischen Gegenden haben sich mit dem kirchlichen Kirchweihfest weltliche Feste verbunden, die ursprünglich auch nur ein Ausdruck der Freude über den Besitz einer eignen Kirche sein sollten, nach und nach aber ihre religiöse Beziehung gänzlich verloren haben und besonders auf dem Lande zu blos irdischen Festen geworden sind, an welchen gegessen, getrunken und getanzt wird. Man nennt dieses Fest gewöhnlich Kirmeß oder Kirms, welches aus Kirchmesse, so viel wie Kirchweihe, durch Zusammenziehung im Sprachgebrauch entstanden ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 608-609.
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