Taubheit

[372] Taubheit wird der widernatürliche Mangel des Gehörvermögens genannt und ist entweder angeboren oder erworben. Über die angeborene Taubheit s. Taubstummheit. Die Ursachen der erworbenen können sehr verschieden sein und zwar kann dieselbe in einer fehlerhaften Beschaffenheit der Theile, welche zunächst den Schall aufnehmen und fortpflanzen, also des äußern Gehörgangs, der Trommelhöhle und ihres Inhalts oder in den noch weiter nach innen gelegenen Theilen des Ohrs, in den Nerven, die dazu bestimmt sind, die Töne auf das Gehör zu übertragen, und in dem letztern selbst ihren Grund haben. Oft bleiben aber auch die Ursachen der Taubheit allen Nachforschungen verborgen. Unter denen, die im äußern Gehörgange ihren Sitz haben, ist die am häufigsten vorkommende ein schleimiger oder eiteriger Ausfluß aus diesem Gange oder vielmehr der diesem meistens zu Grunde liegende schleichende Entzündungszustand mit seinen mannichfachen Folgen, wie Verschwärung der häutigen Auskleidungen des äußern Gehörgangs, Beinfraß in dem knöchernen Theile desselben, das Entstehen von polypenartigen Auswüchsen, ferner Ansammlung von verhärtetem Ohrenschmalze, die Anwesenheit von außen eingedrungener fremder Körper in ihm, Verwachsungen seiner Wandungen. Ist im Bereiche der Trommelhöhle ein naturwidriger Zustand eingetreten, so ist Schwächung oder Verlust des Gehörs die nächste Folge. So kann eine widernatürliche Anhäufung von Schleim in der Trommelhöhle, welche die Luft, die gewöhnlich darin enthalten ist, verdrängt, eine Ursache der Taubheit werden, die dann ohne Schmerz und ohne Ausfluß, ja ohne daß an und in dem Gehörgange eine Veränderung wahrzunehmen ist, eintritt und vorzüglich bei jungen Leuten, die zu Verschleimungen geneigt sind, beobachtet wird. Diese Art der Taubheit bietet sehr verschiedene Grade dar, ist in der Regel am Morgen beträchtlicher und scheint bei kalter und feuchter Witterung zuzunehmen. Zuweilen gibt ein Schlag, ein Fall auf den Kopf oder andere Einwirkungen, welche eine Anhäufung von Blut in demselben herbeiführen, zu Bluterguß in die Trommelhöhle und dadurch zur Entstehung von Taubheit Veranlassung; ferner beeinträchtigt der Verlust der Gehörknöchelchen das Gehör ebenfalls, ob allein für sich, ist schwer zu sagen, weil derselbe immer nur in Verbindung mit andern Krankheitszuständen vorkommt. Eine weitere Ursache der Taubheit kann die Verschließung (Verschleimung, Verwachsung) der sogenannten Eustachischen Trompete werden – eines Kanals, der eine Verbindung zwischen der Trommel- und Rachenhöhle und namentlich den Eintritt von Luft aus letzterer in erstere vermittelt. Was die Heilung der Taubheit betrifft, so gelingt sie, weil selbst dem seinem Ursprunge nach erkannten Übel selten mittelbar oder unmittelbar beizukommen ist, nur äußerst selten. Dagegen gibt es bei noch nicht vollkommener Taubheit einzelne Hülfsmittel, welche das Hören erleichtern, wie z.B. die verschiedenen Hörröhre, d.h. Instrumente, welche die Töne stärker und deutlicher zu machen geeignet, meistens aus Metall gefertigt sind und eine trichterförmige Gestalt haben. Doch nützt ihr Gebrauch nur Einzelnen, Andern wieder gar nicht. Auch hat man das Gehör durch Übertragung der Töne vermittels der Zähne zu ersetzen gesucht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 372.
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