[4] Fall der Körper auf der Erde ist eine Äußerung der Anziehung, welche die Erde gegen die in ihrer Atmosphäre befindlichen Körper ausübt. Überhaupt ziehen je zwei Körper nach Maßgabe ihrer Massen einander an. Die Erde ist eine unendlich vielmal größere Masse als jeder Körper, der sich in ihrer Atmosphäre befindet, daher bewirkt die gegenseitige Anziehung, welche zwischen einem solchen Körper und dem Erdkörper stattfindet, eine Bewegung jenes nach diesem hin, wenn nicht ein unüberwindliches Hinderniß dieser Bewegung entgegentritt. Die Kenntniß der Gesetze des Falls verdanken wir dem berühmten Galilei (s.d.). Die gesammte Anziehungskraft, welche die Erde gegen andere Körper ausübt, ist so in ihre Mitte concentrirt, daß alle fallenden Körper ein Bestreben zeigen, nach dem Mittelpunkte der Erde sich hinzubewegen. Die Linie, in welcher irgend ein Körper fällt und die also überall nach dem Mittelpunkte der Erde gerichtet ist, heißt die Falllinie, oder die senkrechte, lothrechte Linie für den Punkt, in welchem der fallende Körper die Erde berührt.
Da nur derjenige Körper allein und streng den Gesetzen des Falles gehorcht, welcher nicht noch durch eine andere Kraft außer der Anziehung der Erde bewegt wird, und welcher in seiner Bewegung nicht von einem andern Körper gestört oder gehindert wird, so müssen Versuche, welche zur Herleitung der Fallgesetze dienen sollen, wo möglich so angestellt werden, daß der fallende Körper einzig durch die Erdkraft bestimmt werde, – daß er frei falle. So kommt man zur Kenntniß von den Gesetzen des freien Falles. Da die uns und alle irdischen Körper umgebende Luft jeder Bewegung ein Hinderniß entgegensetzt, welches um so größer ist, je weniger Masse ein Körper in einem je größern Volumen hat, so hat man Fallversuche in einem Raume vorgenommen, der so viel als möglich verdünnte Luft enthielt. Dann ist der Widerstand der Luft möglichst gering. Derartige Versuche lehrten nun, daß alle Körper mit gleicher Geschwindigkeit fallen, daß also, wenn man z.B. einen Dukaten und eine Flaumfeder von derselben Höhe zugleich herunterfallen läßt, beide zugleich den Boden des Gefäßes mit verdünnter Luft berühren. Je mehr die Luft in dem Gefäße verdünnt ist, desto besser gelingt der Versuch. Man hat ferner gefunden, daß jeder Körper mit zunehmender Geschwindigkeit falle; je länger er fällt, desto geschwinder fällt er. Der Raum, den ein freifallender Körper während der zweiten Secunde seines Falles zurücklegt, ist dreimal, der in der dritten Secunde zurückgelegte fünfmal, der in der vierten Secunde zurückgelegte siebenmal (und so fort nach der Reihe der ungeraden Zahlen) so groß als derjenige Raum, den er in der ersten Secunde seines Falles durchmaß. Hieraus folgt, daß, wird der Fallraum der ersten Fallsecunde gleich 1 gesetzt, der ganze durchlaufene Raum nach Verlauf der zweiten Secunde = 1 + 3 = 4; nach der dritten Secunde = 1 + 3 + 5 = 9; nach der vierten Secunde = 1 + 3 + 5 + 7 = 16 ist; und da also die Zahlen der Zeiten: 1, 2, 3, 4.... ins Quadrat erhoben die Zahlen der durchlaufenen Räume: 1, 4, 9, 16.... geben, so sagt man: die durchlaufenen Räume verhalten sich wie die Quadrate der Fallzeiten, und die Zeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Räumen, welche vom fallenden Körper zurückgelegt worden sind. Um diese Gesetze des Falles durch Versuche darzuthun, sodaß ihre Richtigkeit ins Auge springt, hat Atwood eine eigne Vorrichtung, die sogenannte Fallmaschine, erfunden.
Man hat ferner die genauesten Beobachtungen darüber angestellt, wie groß der Raum sei, den die Körper auf der Erde in der ersten Secunde ihres Falles durchlaufen, und gefunden, daß derselbe etwas über 15 par. Fuß beträgt. Bei der vollkommenern Ausbildung der Physik fand man übrigens, daß diese Größe nicht überall auf der Erde gleich sei, daß vielmehr in der Nähe der Pole die Körper etwas schneller fallen, als über dem Äquator; und dieses ist nur dadurch erklärlich, daß man annimmt, was auch noch durch andere Beobachtungen bestätigt wird, daß die Oberfläche der Erde in der Gegend der Pole näher am Mittelpunkte der Erde liegt, als in den Gegenden um den Äquator, daß also die Erde keine vollkommene Kugel, sondern nach den Polen zu abgeplattet ist. Bemerkenswerth ist noch, daß, da die Größe des Raumes, welchen ein Körper in der ersten Secunde durchfällt, von der Masse unsers [4] Weltkörpers abhängt, auf andern Himmelskörpern von mehr oder weniger Masse als die Erde, die entsprechende Größe eine andere sein müsse, und so hat man z.B. berechnet, daß auf dem Monde die Körper in der ersten Secunde nur durch drei Fuß fallen, also nur den fünften Theil des Weges zurücklegen, durch den sie auf der Erde in derselben Zeit fallen.
Durch den Umstand, daß die Körper stets in senkrechter Richtung fallen, glaubte man anfangs die Bewegung der Erde um ihre Achse widerlegen zu können. Denn wenn die Erde wirklich von W. nach O. mit so gewaltiger Schnelligkeit, wie die Astronomen behaupten, sich umdreht, so, scheint es, müßte sie unter einem fallenden Körper gleichsam hinwegfahren, sodaß dieser beim senkrechten Falle etwas weiter westl. auf die Erde endlich auffallen müßte, als geschehen würde, wenn die Erde ruhte. Man stellte die genauesten Versuche an, ob dem so sei, fand aber, daß die fallenden Körper nicht allein nicht gegen W., sondern vielmehr um ein Weniges gegen O. abweichen. Dieser merkwürdige Umstand fand bald seine Erklärung und wurde nicht ein Beweis gegen die Drehung der Erde von W. nach O., sondern der schlagendste Beweis für dieselbe. Es ist eine erwiesene Thatsache, daß Gegenstände auf einem bewegten Körper die Bewegung dieses Körpers mit annehmen. Wirst man z.B. auf einem schnellsegelnden Schiffe einen Ball senkrecht in die Höhe, so fällt er nicht in das Meer, weil das Schiff unter ihm wegsegelt, während er in der Luft ist, sondern er fällt wieder auf das Schiff zurück, weil er außer der ihm ertheilten Bewegung auch noch die forteilende Bewegung des Schiffes hat. Ähnliches findet auch in Bezug auf die Erde statt; der fallende Körper wird also, stets die Erdbewegung theilend, nicht westl. abweichen. Stellen wir uns ferner einen hohen und einen niedrigen Punkt auf der Erde vor, z.B. die Spitze eines Thurmes und den Fuß desselben, so bewegen sich beide bei der Drehung um die Erdachse in einem Kreise; der weiter von der Erdachse entfernte Körper beschreibt aber bei dieser Drehung einen größern Kreis in derselben Zeit, in welcher der tiefer liegende Punkt einen kleinern Kreis durchläuft; folglich ist die Geschwindigkeit des höhern Punktes größer als die des niedriger gelegenen. Läßt man nun einen Körper von der Spitze des Thurmes herabfallen, so bewegt er sich erstens senkrecht nach der Erde zu, zweitens fliegt er aber auch im Raume mit derjenigen Geschwindigkeit fort, die in Folge der Drehung der Erde der Spitze des Thurmes zugehört; er wird folglich nicht genau den senkrecht auf der Erde unter der Thurmspitze liegenden Punkt treffen, sondern um so weiter nach O. fallen, je höher der Ort war, von dem ab er fiel. Derartige Fallversuche, welche die Drehung der Erde beweisen, sind von den geschicktesten Physikern mit ungemeiner Schärfe an verschiedenen Orten angestellt worden.
Es ist endlich ein Gesetz der Physik, daß jeder Körper, der durch Eine Kraft in Bewegung gesetzt wird, geradlinig nach der Richtung des ihm ertheilten Stoßes fortfliegt. Hiernach müßte z.B. eine Kanonenkugel geradlinig in der Richtung der Kanone, aus der sie geschossen wurde, fortfliegen. Außer der Kraft, welche die Kugel in Bewegung setzt, wirkt auf sie aber noch die Anziehungskraft der Erde, und indem die Kugel beiden auf sie wirkenden Kräften folgt, von denen die Erdkraft allmälig die Oberhand gewinnt, beschreibt sie in ihrem Laufe eine krumme, genau berechenbare Linie, welche endlich die Erde trifft. Wie hier die Kugel von der Erde, so werden die Planeten von der Sonne angezogen, und sie würden daher auf diese fallen, wenn sie nicht vom Schöpfer zugleich einen ursprünglichen Anstoß erhalten hätten, demgemäß sie geradlinig im Raume fortzufliegen streben. Dies Letztere hindert aber die Anziehungskraft der Sonne, und so ist das Resultat beider die Planeten in Bewegung setzender Kräfte dies, daß sie sich in (genau berechneten) kreisähnlichen Bahnen um die Sonne herumbewegen. Man könnte auch eine Kanonenkugel zum Herumfliegen um die Erde bringen, wenn man ihr beim Abschießen eine so große Schnelligkeit mittheilen könnte, daß die Anziehungskraft der Erde nicht das völlige Übergewicht über jene Bewegung erhielte. Man hat die Größe der hierzu nöthigen Kraft berechnet, sie ist aber so ungeheuer, daß sie sich niemals in Ausführung bringen läßt.
Brockhaus-1911: Fall [3] · Fall [4] · Horseshoe Fall · Fall · Fall River · Fall [2]
Goetzinger-1885: Fall, Totfall
Herder-1854: Fall [2] · Fall [1]
Lueger-1904: Fall · Erzbringer, -fall, -führung · Belastungsart, -fall, -fläche
Meyers-1905: Fall [4] · Fall. · Im Fall · Fall [3] · Fall River · Fall [1] · Fall [2]
Pierer-1857: Fall-River · Fall-Creek · Fall · Fall-Topp · Fall [1] · Fall ins Boot · Fall [3] · Fall [2]
Buchempfehlung
Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.
42 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro