[237] Antichrist. Gegen- oder Widerchrist, ein Feind oder Widersacher des Christenthums. Dieses Wort hat beinahe mit jedem Jahrhunderte seine Bedeutung geändert. Durch die Weissagungen der Propheten waren die Juden auf die Idee geführt worden, daß, ehe der Messias zur Rettung seines Volks erscheinen würde, ein Gegenmessias auftreten, und dem bedrängten Volke noch mancherlei Leiden verursachen würde. Mehrere zu wörtlich oder zu bildlich gedeutete Aeußerungen Jesu verleiteten die Christen, diese Idee beizubehalten, und sie auf das Christenthum überzutragen. Aus dieser Idee bildete sich die Idee eines tausendjährigen Reiches, in welchem der Verfolger der Christuslehre, der Antichrist gewaltig sein Wesen treiben würde. In diesem Glauben wurden die Christen durch die Verfolgungen bestärkt, welche sie in den ersten Jahrhunderten zu bestehen hatten. Namentlich bezog man darauf mehrere undeutliche Stellen der Apokalypse (s. d. Art.) Als aber gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts diese Befürchtungen noch nicht erfüllt wurden, verlor man sich in eine bildliche Deutung, und erklärte jeden für den Antichrist, welcher dem Geiste seiner Zeit nicht gemäß dachte und handelte, und Gewalt und Muth genug hatte, seine dem Zeitgeiste widerstreitenden Ansichten öffentlich zu behaupten.
t