[573] Antichrist (griech., »Widerchrist«, bei Luther Endechrist), der vom Satan gesandte gewaltige Gegner des Christentums, der kurz vor der Wiedererscheinung Christi die gesamte Macht des Bösen in der Welt zum letzten Kampf gegen die christliche Kirche vereinigen, aber schließlich durch Christus überwunden werden wird. Die Erwartung einer solchen Persönlichkeit, eines »Menschen der Sünde«, in dem das ganze dem Christentum feindlich entgegengesetzte Streben seinen Abschluß erreichen werde, findet sich besonders 2. Thess. 2, 3 f. und Offenb. 13 und 17, besitzt aber ihre Anknüpfungspunkte schon im Judentum. Wie nämlich dieses vor dem Erscheinen des Messias eine furchtbare Zerrüttung aller sittlichen Verhältnisse (Geburtswehen des Messias) erwartete, so das Urchristentum vor der gehofften Wiedererscheinung Christi, und wie das Buch Daniel den Antiochos Epiphanes als den Gottesfeind schildert, um durch die Aussicht auf seinen gewissen Untergang über die Drangsale der Gegenwart hinwegzuheben, so erscheint in der Offenbarung des Johannes Nero in gleicher Stellung. Seither erblickte jedes Geschlecht, das den christlichen Glauben durch eine mächtige Zeitrichtung bedroht sah, in dem jedesmaligen Repräsentanten derselben den A., soz. B. Wiclif, die Hussiten und Reformatoren im Papst. Ja, der Gedanke, daß der Papst der A. sei, ging durch die Schmalkaldischen Artikel selbst in den Lehrbegriff der Lutheraner über. In der griechisch-morgenländischen Kirche wurde besonders seit dem 16. Jahrh. die türkische Herrschaft oder auch Mohammed nach dem Vorgang des Papstes Innocenz III. als A. bezeichnet. Neuerdings sollte 1805 mit Napoleon I. und 1848 mit den Revolutionsmännern die Zeit des Antichrists anbrechen. Die älteste poetische Darstellung der Antichristsage ist das Gedicht Muspilli (s. d.); von spätern Schriften über den Gegenstand, die sich durch das ganze Mittelalter hinziehen, erinnern wir an die der Dichterin Ava (s. d.), an das Mysterium »Ludus paschalis de adventu et interitu Antichristi«, an den Abschnitt »Von dem endechriste« in Freidanks »Bescheidenheit« (s. Freidank). Vgl. Bousset, Der A. in der Überlieferung des Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche (Götting. 1895).