[297] Propheten, Seher. Unter allen Völkern hat es Männer gegeben, welche sich vor ihren Zeitgenossen durch Kraft und Fülle des Geistes auszeichneten, und namentlich bei den Hebräern traten viele solcher Männer als Lehrer des Volks auf. Ihre Reihe beginnt mit Moses. Später bildeten sich eigene Institute, oder sogenannte Prophetenschulen, wo die geistvollsten Jünglinge der Nation erzogen und mit den Grundsätzen des Gesetzes und der Poesie bekannt gemacht wurden. Sie traten dann als Religions- und Sittenlehrer auf und schützten das Priesterthum gegen die Anmaßungen der Könige. Die Schicksale der Staaten kündigten sie in warnenden und oft sehr ernsten Reden an und ermahnten sowohl durch diese, als auch durch das eigene Beispiel, zu einem frommen Wandel. Da sie überall mit hoher, religiöser Begeisterung sprachen, so galten sie gar bald als heilige Seher, und ihre Aussprüche erhielten das Ansehen göttlicher Verkündigungen. Viele dieser Aussprüche sind uns in den Schriften der sogenannten Propheten im alten Testamente[297] aufbehalten. In neuerer Zeit haben sich viele religiöse Schwärmer Propheten genannt, ohne ihren Beruf durch den Erfolg nachweisen zu können. Meistentheils prophezeiheten sie die Erscheinung des Antichrists und den Untergang der Welt, indem sie die Offenbarung Johannis mißbrauchten und in kindischer Weise mißdeuteten.
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