[376] Augustus Octavianus, Cajus Julius Cäsar Octavianus, geboren 63 vor Christus, war nach dem Aufhören des römischen Freistaats der erste Alleinherrscher, unter dem Titel Imperator. Er war eben 18 Jahre alt, als er zu Apollonia in Epirus, wo er die Beredsamkeit studirte, die Ermordung seines Großoheims Julius Cäsar, und daß ihn dieser zum Sohn und Erben eingesetzt habe, erfuhr. Sogleich begab er sich, trotz der Abmahnung seiner Mutter Atia, nach Italien, wußte durch ausgezeichnet kluges Benehmen und große Freigebigkeit den Senat, die Legionen und das Volk gegen die Anmaßungen des Antonius für sich zu gewinnen, und trat nun an die Spitze der öffentlichen Angelegenheiten. Fünf ausbrechende Bürgerkriege beendigte er mit ungewöhnlichem Glück; zuletzt besiegte er bei Actium den Triumvir Antonius, und hinfort mit dem Titel Augustus (der Erlauchte) geschmückt, von Senat und Volk der Vater des Vaterlandes genannt, behauptete er sich als Alleinherrscher Roms 44 Jahre hindurch, bis er auf dem väterlichen Landhause zu Nola in Campanien in den Armen seiner Gemahlin, Livia, starb. Seine einzige Tochter, Julia, hatte er wegen ihrer Ausschweifungen verbannen müssen. Augustus hatte, obgleich von kleiner Statur, doch ein sehr schönes Aeußere, sehr scurige Augen, höchst einnehmende Züge und dabei die Würde des Herrschers. Wiewohl die frühere Zeit seines öffentlichen Lebens mit mancher blutigen Gewaltthat bezeichnet ist, so endete er doch mit dem allgemeinen Ruhme eines höchst milden Herrschers, der wohlduftenden Rose auf verwundenden Dornen gleichend. Denn die 44 Jahre seiner Alleinherrschaft sind voll der lobenswürdigsten Bestrebungen[376] für die innere Ordnung und Ruhe Roms und seines umfassenden Ländergebiets, für die Verschönerung der Hauptstadt und der Provinzen. Roms Literatur und Kunst hatte unter Augustus ihr goldenes Zeitalter.