[426] Ballade, die, oder Romanze gehört zu den epischen oder historischen Dichtungsarten. Das Wort Ballade stammt aus dem Italienischen und bezeichnet eigentlich ein Lied, welches man zum Tanze sang. Sie erzählt eine wirkliche oder erdichtete Begebenheit. Entweder schildert sie darin Einen oder mehrere Menschen nach ihren Handlungsweisen. In letzterem Falle muß aber der eine derselben sich als Hauptperson, als den Helden des Gedichts, darstellen. Dieser Held hat mit widrigen Schicksalen zu kämpfen; bald wird man hoffen, daß er obsiegen, bald fürchten, daß er unterliegen werde. Durch dieses Schweben zwischen Hoffnung und Furcht wird das Interesse des Lesers rege erhalten, und der Ausgang mag nun erfreulich oder betrübend sein, so muß der Leser mit Achtung von dem Helden scheiden. In allen diesen Merkmalen kommt die Ballade oder Romanze mit dem Epos oder Heldengedichte überein, von dem sie sich nicht nur durch ihren geringen Umfang, sondern auch durch den Ton unterscheidet. Die Gefühle nämlich, welche sie in dem Herzen des Lesers aufregt, sind zarter und inniger als die, welche durch die andern epischen Dichtungsarten angesprochen werden, die Gefühle der Liebe, der Freundschaft, der zärtlichsten Besorgniß, des Mitleidens u. s. w. Manchmal nimmt der Dichter die Geister- und Zauberwelt zu Hilfe, um den [426] Eindruck zu verstärken; doch gehört das nicht zum Wesen der Ballade. Manche machen zwischen Ballade und Romanze einen Unterschied, indem sie von jener einen schauerlichen Ausgang verlangen; oder sie nennen dasjenige Gedicht, in welchem die erzählende Form vorherrscht, eine Romanze, dagegen dasjenige, in welchem die handelnden Personen redend eingeführt werden, eine Ballade. Demnach würden z. B. Schiller's Bürgschaft, sein Taucher und sein Kampf mit dem Drachen keine Romanzen, sondern Balladen, dagegen Seume's Opfer eine Romanze sein.
52.