Berenice

[12] Berenice. Die Gemahlin des ägyptischen Königs Ptolemäos Euergetes, Tochter der Arsinoe und des Ptolemäos Philadelphus. Eine heldenmüthige Frau voll hoher Schönheit, und geziert mit überaus herrlichen Haaren. Ihr Gemahl unternahm einen Feldzug nach Syrien, über dessen glücklichen oder unglücklichen Ausgang die trauernde Königin in bangen Sorgen schwebte. Da kündete ihr ein Traumorakel, daß sie den Gatten glücklich und siegreich wiedersehen werde, wenn sie den Göttern ihr liebstes Kleinod opfere, und sie gelobte, den kostbaren Schatz ihres reichen Haares freudig als Opfer darzubringen, wenn der heiße Wunsch ihres Herzens sich erfülle. Und es kamen eilende Siegesboten. die des Königs baldige Heimkehr und den glücklichen Erfolg seines Heereszugs ihr verkündeten. Dankbar wallte sie im langen Zuge der Priesterinnen zum Tempel der Venus Arsinoe Zephyritis; unter den goldenen Scheren der Priesterinnen fielen die prächtigen Locken, und zierten die Tempelwand, ein rührendes Denkmal treuer Gattenliebe. Als nun der Sieger heimgekehrt war, sein angebetetes [12] Weib entzückt in seine Arme geschlossen hatte, und sich in den Tempel begab, der Göttin sein Dankopfer darzubringen, die den Wunsch seiner Gattin erhört und ihr Opfer so gnädig angenommen hatte, sah er erstaunt, daß das Haupthaar der Berenice, der schönste Schmuck des Tempels, von seiner Stelle spurlos verschwunden war. Als er nun Abends betrübt durch die prangenden Königsgärten wandelte, trat sein Astronom Konon zu ihm, und sprach: »Traure nicht, o Sieger, über das Kleinod, welches gnädige Götter der Erde entrückten. Siehe, meine Augen durchirrten die Räume des Himmels, und dort unter den ewigen Sternen haben sie das Haar deiner Gattin wieder gefunden.« Freudig blickte der König empor, und der Astronom zeigte ihm nun jene kleinen Sterne, welche noch heute das Haar der Berenice genannt werden. So sollte Frauentugend, freudiges Hingeben des liebsten und schönsten Schmuckes für den Gatten, und treue selbstaufopfernde Liebe, der Mythe nach, am Himmel selbst ein ewiges Symbol und unsterbliche Fortdauer ihres Andenkens finden.

–ch–

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 12-13.
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