Schönheit

[129] Schönheit, die liebliche Uebereinstimmung des Sinnlichen und Individuellen mit dem Idealen, die veredelte Idee in vollendeter äußerer Form, – der magische Vorschimmer einer andern Welt, die himmlische Offenbarung eines vollendeteren Daseins, das beseligende Lächeln der Gottheit! Das Schöne ist die Vollkommenheit der Erscheinung, und zwar für den innern wie für den äußern Sinn. Denn nicht das Sinnliche ist an sich schön: es wird erst schön durch das Geistige, durch die Idee, die sich in ihm ausspricht; und wiederum kann auch das rein Geistige ohne ein sinnliches Abbild oder ohne anschaubare Handlungen, die wir schön nennen, keine Ansprüche auf S. machen. Diese ist ja eben ein sichtbares Ganzes, wo alle einzelnen Theile in vollendeter Uebereinstimmung zugleich für Geist und Sinn den lieblichsten Gesammteindruck hervorbringen. Die schöne Form verbindet das Mannichfaltige zu einer harmonischen Einheit, welche alle Seiten des Herzens, die Fühlfäden des feinsten Geschmackes, gleich melodisch berührt. Das Schöne gefällt durch sich selbst, es dient keinem fremden Zwecke: mit zwingender Urkraft überwältigt es alle Herzen, und nimmt in stolzer Majestät die Huldigungen einer Welt hin. Zu Omphale's Füßen schmachtet der Löwenbändiger Herkules am Rocken, und in Endymion's Antlitz selig verloren vergißt Luna des ewigen Gelübdes. Die S. ist ein physischer und zugleich heiliger Moment, wo Wirkendes und Gewirktes zu einem seligen Genusse zusammenfallen und nichts in uns ohne Erschütterung bleibt, selbst der sinnliche Theil nicht. Sie regt an, sie ist Leben und erhebt den Betrachtenden zum Künstler; sie ist das gesetzmäßig Lebende in seiner höchsten Vollkommenheit und in ihren höhern Beziehungen innig mit dem Wahren und Guten verwandt. – Die männliche S. hat mehr den Charakter des Erhabenen, die weibliche den des Reizenden (s. Reize), der Anmuth, der Grazie..... Doch wer kann mit Worten den Begriff des Schönen erschöpfen, das so unendlich ist wie die Welt selbst, diese riesenhafte und doch so harmonische Vereinigung[129] aller Harmonien, diese höchste, lebendige Schönheit, aus der Hand des ewigen Meisters hervorgegangen! Vergl. die Artikel: weiblicher Körper, Kunst, Aesthetik.

S....r.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 129-130.
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