[110] Bobelina, Laskarina, die aus dem letzten griechischen Unabhängigkeitskriege berühmte Seeheldin. Sie stammt aus einer der angesehensten Familien der Insel Hydra ab. Ihr Gatte, ein tapferer Schiffskapitain, der gegen die algierischen Corsaren kreuzte, wurde ihr plötzlich auf türkischen Befehl entrissen und unschuldig vor ihren Augen hingerichtet. Neun Jahre lang trug sie den tiefen Schmerz über diesen Verlust, aber auch den unversöhnlichsten Haß gegen die Mörder ihres Gatten in der Brust. Der griechische Aufstand war für ihre Seele die Losung zur Rache. Sie rüstete drei Schiffe auf ihre Kosten aus und stieß zum griechischen Geschwader In mannichfachen Gefechten legte sie hier Beweise von Heldenmuth, Unerschrockenheit und Ausdauer in den Gefahren ab. Mit ihr kämpften ihre Söhne, die sie zu Sieg und Rache begeisterte. Während ihrer kühnen und erfolgreichen Kreuzzüge erhielt sie die Nachricht, daß der Lieutenant des Pascha in Argos eingefallen[110] sei und Alles mit Feuer und Schwert verwüste. Sogleich eilte sie ihren Ländsleuten zu Hilfe, sammelte die Flüchtigen, befeuerte ihren Muth, gab ihnen Waffen, griff die Türken mehrmals siegreich an und vertrieb sie endlich aus Argos. Aber dem Mutterherzen der Befreierin wurde hier eine tiefe Wunde geschlagen. In einem dieser Gefechte blieb ihr älterer Sohn Die Türken hieben ihm den Kopf ab und trugen ihn im Triumphe zu ihrem Anführer. Laskarina erfuhr kaum die Nachricht von seinem schmählichen Ende, als sie ihre Leute sammelt, sich an ihre Spitze stellt, die Feinde ereilt und ihnen eine gänzliche Niederlage beibringt. Drei Türken fielen von ihrer eigenen Hand. Nachdem der Sieg erfochten, trat die Natur wieder in ihre Rechte. Unter einem Haufen von Leichen sucht die trostlose Mutter, blutbedeckt, händeringend, laut weinend, mit aufgelöstem Haar, ein Bild der Niobe, den todten Sohn und bringt ihm den letzten Zoll der Liebe dar. Nachdem sie von dem theuern Leichname Abschied genommen und den Schmerz niedergekämpft, erwacht die Liebe zum Vaterlande, für das ihr kein Opfer zu hoch dünkt, mit erneuter Kraft in ihrer Brust. Sie schreibt an den Senat in Spezzia folgende lakonischen Worte, die ganz ihre große Seele charakterisiren: »Mein Sohn ist todt, aber Argos ist unser!« Ein Reisender, der sie im Juni 1821 zu Spezzia sah, entwirft folgendes Bild von ihr: Sie ist eine Frau von etwa 40 Jahren, von ziemlich hoher Gestalt, die aber durch das große Embonpoint verliert. Ihre Gesichtszüge sind schön und lebendig, aber von dem Ausdrucke großer Leidenschaften durchfurcht, ihr Blick feurig, imposant. Ihre Haltung und ihr Betragen im gewöhnlichen Umgange sind einfach, aber der geringste Gegenstand, der sie anspricht, belebt ihre Züge, und dann entwickelt sie eine bewundernswürdige Beredsamkeit Nach Beendigung des türkischgriechischen Krieges verließ sie den politischen Schauplatz und zog sich in die Einsamkeit des Privatlebens nach Spezzia zurück.