Botany Bai

[147] Botany Bai. Die ungeheure Anzahl von Verbrechern, welche das glückliche England aufzuweisen hat, und welche alle hinzurichten man sich scheute, gaben Veranlassung zu einer Verbrecherkolonie.[147] Zuerst bestand diese in Nordamerika, und England sandte alle seine Unglücklichen nach dieser jungfräulichen Erde. Als die Kolonien sich von Britannien trennten, fiel auch dieser Zufluchtsort weg; man bestimmte jetzt Botany Bai auf der Insel Neuholland dazu und verlegte sie später, wegen der dort ungesunden Luft, nach Port Jackson. Hier hat sie sich nun so ausgebreitet, daß sie wenigstens 80,000 Menschen zählt, welche mehrere Städte, unter diesen die Hauptstadt Sidney cowe, bevölkern. Die Verbrecher werden, so wie sie ankommen, einzelnen Kolonisten übergeben, welche dieselben verpflegen und zur Arbeit anhalten, wodurch sie häufig völlig gebessert werden, so daß sie endlich selbst Land zum Bebauen für sich erhalten, Kolonisten werden, und das Ihrige zur Besserung neuer Ankömmlinge beitragen. Ein günstiges Klima, ein fruchtbarer Boden, Alles liefernd, was Italien an Früchten, Getreidearten etc. hervorbringt, macht das rasche Emporblühen der Kolonie begreiflich, und England, eine große Zahl Verbrecher jährlich dorthin sendend, befreit sich von einem Theil seines Auswurfes, und hat nicht so viele Kosten, als bei einer Einsperrung in Zuchthäuser. Von dem weiblichen Geschlecht läßt sich nicht viel sagen, als daß es, meistens noch viel verwilderter und zügelloser dort ankommt, als das männliche, dagegen auch viel schneller gebessert, und durch Heirathen, durch eheliche und Mutterpflichten gänzlich verändert wird, so daß jetzt schon häufig Hunderte von brotlosen Mädchen sich freiwillig entschließen, nach Botany Bai zu gehen. Verbindung mit den Ureinwohnern des Landes findet selten Statt; die sonst für unübersteiglich gehaltenen blauen Berge sind jedoch durch eine Chaussee fahrbar geworden, ja es ist jenseits derselben eine Niederlassung, Bathurst, gegründet.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 147-148.
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