Caricatur

[277] Caricatur, (vom italienischen caricare, überladen, übertreiben) ist dem Worte nach eine Darstellung, worin Theile, Eigenschaften, Merkmale durch Menge oder den Grad der Größe übertrieben worden sind. Durch den Contrast einer solchen Darstellung mit der Idee von der Form, wie sie eigentlich sein sollte, wird der Gegenstand meist lächerlich; aber es gibt nicht bloß lächerliche, sondern auch schreckliche Caricaturen. Das liegt in der Art des Contrastes. Der Contrast geht hervor aus der Vergleichung des angeschauten Gegenstandes mit dem Musterbilde, das unsrer Phantasie vorschwebt, als Normalidee für die Gattung, der jener angehört. Diese Normalidee darf in der Caricatur nicht ganz vertilgt sein, d. h. ein Theil wenigstens an ihr muß die Gattung bezeichnen, der sie angehört. Indem nun aber ein Theil nach dieser Normalidee ausgearbeitet ist, die übrigen Theile aber zu sehr in's Kleine und Kleinliche oder in's Große und Colossale ausarten, dort zu tief unter, hier zu viel über der Idee stehen, geht jener Contrast hervor, jene Anschauung der Mißverhältnisse.[277] Was über der Normalidee steht, wird schreckliche, was unter ihr, lächerliche Caricatur. Bendavid sagt daher: »Ein Kind von gehöriger Größe mit einem colossalen Kopfe, collossalen Armen u. s. w. ist eine fürchterliche Caricatur; hingegen ein erwachsener Mensch mit einem zu kleinen Näschen, kleinem Mündchen und einem süßen Stimmchen, ist ein puziger, schnurriger Kerl, eine lächerliche Caricatur.« Es gibt aber auch Caricaturen, in denen Beides gemischt erscheint, z. B. der Bramarbas, in welchem mit seiner kleinen Figur oder seinem schwächlichen feigen Aussehen die unmäßig vergrößerten Attribute eines Helden, als Schnurrbart, Säbel, Hut u. s. s. einen lächerlichen Contrast bilden. – Caricatur ist das entstellte Ideal und deßhalb für die Satire, deren Aufgabe es ist, das Lächerliche zu geißeln, oder vielmehr das gestörte Gleichgewicht der Schönheit zu ahnden und herzustellen. Daß hier nicht von körperlichen Lächerlichkeiten, nämlich von solchen, die keine sind, körperlichen Gebrechen, die Rede sein kann, versteht sich von selbst, sondern es handelt sich in der Satire um das Lächerlichmachen jenes Fehlerhaften, das sich der Mensch angeeignet hat, und leibliche Lächerlichkeiten gehören nur sofern hierher, als diese vielleicht ebenfalls aus geistiger Verschrobenheit entspringen, wie geckenhafte Haltung u. s. w. – Die Caricatur ist das Ideal geistiger Mißbildung in angemessenem Ausdruck und entsprechender Gestalt. Wird das Schöne absichtlich zur Caricatur umgestaltet, so heißt diese Parodie. (Siehe d. A.)

B–l.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 277-278.
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