[420] Clairon, Josephe Leyrisdela Tude, eine der gefeiertsten Schauspielerinnen der französischen Bühne des vorigen Jahrhunderts, 1722 zu Condé in Flandern von armen Eltern geboren, betrat schon als Kind durch Talent und Gesangsfertigkeit ausgezeichnet mit 12 Jahren das Theater in Paris. Nachdem sie bei der italienischen Oper mehrere Jahre mit entschiedenem Glück sich im Soubrettensache bewegt hatte, debutirte sie beim Théatre français in der Rolle der Phädra. Es war in der glänzendsten Periode der Dumenil (s. d. A.), deren außerordentliche Leistungen mit dem beifälligsten Erfolge gekrönt waren; um so gespannter waren die Erwartungen, eine Nebenbuhlerin der berühmten Heldin auftreten zu sehen. Demoiselle Clairon feierte einen vollkommenen Triumph; das kunstsinnige Paris war voll vonihrem Lobe, und seine Dichter, Voltaire an der Spitze, lagen zu ihren Füßen. Sie entschied sich jetzt ganz für das Fach der Heldinnen und spielte dieselben mit unerhörtem[420] Beifall; ihre Darstellungen der Charaktere waren so zur Bewunderung hinreißend, daß das Auge dabei die unansehnliche Gestalt und die, nichts weniger als schönen Züge der Darstellenden vergaß. Dabei lebte sie in ununterbrochenen Mißverhältnissen mit ihren Kunstgenossen; bei einer solchen Gelegenheit, wo sie sich weigerte, mit dem Schauspieler Dubois aufzutreten, wurde sie vom Publikum mit lauten Schmähungen empfangen und verließ 1765 die Bühne, deren erste Zierde sie gewesen war. Sie wandte sich aus Frankreich an den Hof des Markgrafen von Ansbach und brachte daselbst 12 Jahre zu, nach deren Verlauf sie nach Paris zurückkehrte, um die letzten Jahre ihres Lebens der Theorie ihrer Kunst zu widmen, und für dieselbe junge Talente zu bilden. Kurz vor ihrem Tode 1893 erschienen von ihrer Feder die interessanten, »Mémoires d'Hippolyte Clairon et reflexions sur la declamation théatrale.
T.