[49] Dädalus und Icarus und Icarus. Dädalus, ein Künstler ersten Ranges, den Minerva selbst ihres Unterrichts gewürdigt, war Architekt und Bildhauer, Künstler in Erz und Holz, in der Steinschneidekunst erfahren, Erfinder der Art und des Bohres, der Richtwage, der Segel und Masten. Einer seiner Schüler, Talus, erfand die Säge, die Töpferscheibe, das Dreheisen und darüber neidisch und eifersüchtig, stürzte er ihn heimtückisch von den jähen Felsen herab, auf welchem die Akropolis, die Burg Athens, sich erhob. Der Areopagus, (das Gericht über Leben und Tod) sprach ihm das Todesurtheil, dem er jedoch durch schleunige Flucht nach Kreta entging, wo er für den König Minos das berühmte Labyrinth[49] erbaute, und für dessen Tochter Ariadne ein andres seines Kunstwerk verfertigte, so wie für dessen Gemahlin Pasiphae eine hölzerne Kuh. Als er der Ariadne zur Flucht mit Theseus beigestanden hatte, ließ ihn Minos selbst sammt seinem Sohn Icarus, im Labyrinth einkerkern, aus welchem Flucht auf gewöhnlichem Wege unmöglich war. Nur nach oben ging eine Oeffnung, nur der beschwingte Vogel konnte hier entkommen. Da verfertigte der sinnende Künstler aus Wachs und Leinwand Flügel für sich und den Sohn, und als diese vollendet und wohlerprobt waren, entschwebten beide den einengenden Kerkermauern. Vergebens aber hatte Dädalos den Sohn vor allzuhohem Flug gewarnt, Icarus, im jugendlichen Gefühle stolzer Sicherheit, kam der Sonne allzunahe, das bindende Wachs der Flügel schmolz, er sank und ertrank im Meere, das nach ihm das Icarische genannt wurde. Herkules begrub den Jüngling auf der Insel Doliche, und nannte sie fortan Icaria. Dädalus kam sicher nach Sicilien, wo er in dem Könige Kokalus einen neuen, freundlich gesinnten Gastfreund fand, dem er sehr nützlich wurde. Er erbaute ihm eine Burg, ebnete den Berggipfel des Eryx, legte Wasserleitungen an, und verfertigte ihm auch eine goldene Kuh, die der Erycinischen Venus geweiht wurde. Endlich da Minos den Aufenthalt des gehaßten Künstlers erfahren hatte, kam er selbst nach Sicilien, um Rache zu nehmen; er ward zwar am Hofe des Kokalus aufgenommen, allein da man seine Absicht merkte, so wurde er, da er ein Bad nahm, durch die Töchter des Königs mit siedendem Wasser getödtet. Später wurde Dädalische Kunst zum Sprichwort, und manche schön und künstlich ausgeführte Arbeit nach Dädalus genannt oder ihm selbst zugeschrieben.
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