[106] Delorme, Marion, aus Chàlons sur Marne gebürtig, erregte durch ihre seltene Schönheit die Aufmerksamkeit eines Günstlings Ludwig's XIII. und ward nachher die Geliebte des Kardinals Richelieu. Sie blieb als solche nicht ohne politischen Einfluß, und die Häupter der Fronde pflegten sich in ihrem Hause zu versammeln. Nachdem diese Partei gestürzt und Mazarin an Richelieu's Stelle getreten war, verfolgte dieser die Geliebte seines Vorgängers, und sie wäre verloren gewesen, wäre sie nicht von dem Schlage, der ihr drohte, unterrichtet, heimlich nach England geflohen, indem sie ihre Feinde mit dem Gerücht ihres Todes täuschte. Nach Verlauf mehrerer Jahre kehrte sie als Witwe eines reichen Mannes nach Frankreich zurück; auf der Reise sah sie sich plötzlich von Räubern angefallen und beraubt. Allein auch hier wirkte der[106] Reiz ihrer Anmuth; der Hauptmann entbrannte in heftiger Leidenschaft für sie und bot ihr seine Hand an. Nur kurze Zeit lebte sie in der Ehe mit ihm, denn nach wenigen Monaten ließ er sie als Witwe, doch abermals mit einem ansehnlichen Vermögen, zurück. Marion Delorme lebte hierauf 30 Jahre in der strengsten Abgeschiedenheit; da traf sie im hohen Alter das Unglück, sich von ihren Dienern ihrer sämmtlichen Habe beraubt zu finden; sie rief den Beistand ihrer ältesten und besten Freundin, der Ninon de Lenclos, an, und erwartete von ihr Hilfe und Rettung diese war in der Nacht vorher gestorben. Die erschütternde Nachricht tödtete die nun aller Hoffnung Entblößte, sie starb nach Verfluß weniger Stunden.
X.