Erkältung

[479] Erkältung. Dieses Wort ist bei der großen Unkenntniß[479] des menschlichen Körpers, seiner Funktionen und der Fehler derselben häufig die einzige Ursache der Krankheiten, welche man für vorhandene Falle anzunehmen im Stande ist. Inzwischen laßt sich nicht läugnen, daß das Gebiet dieses Wortes in Bezug auf Krankheitserzeugung sehr groß und die Aeußerung der Folgen sehr mannichfaltig sei. Erkältung ist eine schnelle oder langsam fortschreitende Abkühlung äußerer Theile oder eine dadurch unterdrückte Thätigkeit des Hautorgans. Durch die erste Art wird z. B. den Füßen, dem Kopfe u. s. w. die Wärme entzogen; die Gefäße derselben ziehen sich zusammen, die Nerven werden unangenehm dadurch ergriffen. Die Folge ist, daß das Blut dieser Theile nach andern Theilen fließt, die unangenehme Erregung der Nerven aber pflanzt sich nach den Ursprüngen derselben fort. So entstehen bei kalten Füßen Blutandrang nach dem Kopfe, den Augen, der Brust, dem Unterleibe, Ohrensausen, Beängstigung, Schlaflosigkeit, Leibweh u. s. w, je nachdem ein Theil vorzugsweise krankhafte Neigung hat. Dasselbe ist, aber in weit höherm Grade, im zweitem Falle von langsam oder schnell unterdrückter Hautthätigkeit zu sagen. Plötzliche Erkältung ist gewöhnlich gefährlicher als langsame Abkühlung. In diesem Falle gewinnen die Säfte Zeit, sich allgemeiner zu vertheilen, in jenem drängen sie mehr nach einem und zwar dem an der Person empfindlichsten, zu Krankheiten geneigtem Orte. Das beste Verwahrungsmittel gegen diesen großen Feind der Gesundheit ist die Abhärtung (s. d.), da eine abgehärtete Haut nicht vom Anwehen eines Lüftchens in der Funktion gestört wird. Der abgehärtete Mensch wird sich nur dann erkälten können, wenn er sich schon unwohl fühlt, denn dadurch wird seine Haut auch empfindlich. Thöricht ist es, durch ängstlich warmes Verhalten sich vor der Erkältung schützen zu wollen, denn gerade der weichlich Gewöhnte erkältet sich bei der kleinsten Abkühlung. Wer mit bloßem Halse geht, bekommt gewiß kein Halsweh, der wollene Binden Tragende aber oft, weil jedes Lüftchen, das hinter das[480] warme Bollwerk dringt, die verwöhnte Haut unangemehm berührt. Kalte Bäder, Waschungen, tägliches Ausgehen bei jedem Wetter, leichte Bekleidung, kühles Lager, kalte Schlafstuben, mäßig erwärmte Wohnzimmer bewahren vor Erkältung. Wer sich unwohl fühlt, muß sich in Acht nehmen, und wärmer als gewöhnlich kleiden. Der Gesunde meide das Ausgehen mit nüchternem Magen, den lange einwirkenden Zugwind, den Zug bei erhitztem Körper, die Abendluft, weil der Körper des Abends ermattet ist. Im Sonnenschein und bei trockner Luft erkältet man sich weniger. Wer sich erkältet hat, suche sein Blut durch starke Bewegung wieder nach Außen zu treiben, nehme ein warmes Bad, frottire sich, trinke einige Tassen Thee und lege sich in's Bett, um in Schweiß zu kommen. Ein kalter Trunk unterdrückt die Absonderung der innern Häute eben so, wie äußere Kälte die der Oberhaut.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 479-481.
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