[14] Esther. Wohl selten hat sich die Allmacht der Schönheit, [14] die Gewalt des Weibes so erfolgreich kund gegeben, als in der Geschichte der Esther, die dadurch ihr Volk vom Untergange rettete. Obwohl Cyrus (s. d.) den durch Nebukadnezar (s. d.) in die persische Gefangenschaft getriebenen Israeliten die Heimkehr nach Palästina gestattet hatte, so war doch eine große Anzahl in Persien, das ihnen durch einen 70jährigen Aufenthalt zum zweiten Vaterlande geworden war, zurückgeblieben. Aus ihrer Mitte wurde von König Ahasverus (s. d.) die schone Esther zu hoher Gunst erhoben. Deren Oheim, Mardochai, hatte dem Günstlinge des Herrschers, Haman, die Ehrenbezeigung verweigert, die ihm nach des Königs Willen gebührte, und das ganze israelitische Volk sollte für das Versehen mit dem Leben büßen. Da wagte Esther, auf die Allgewalt ihrer Reize sich stützend, diese geltend zu machen, um Tausende vom Tode zu erretten. Ahasverus nahm den blutigen Befehl zurück, Haman ward an demselben Galgen, den er für Mardochai hatte errichten lassen, aufgehängt, und Esther gewann den entschiedensten Einfluß auf das Herz des schwachen Fürsten, der nun ihrer Rache vollen Lauf ließ, und ihren Oheim an die Stelle des gefallenen Günstlings erhob. Beide mißbrauchten dieses Uebergewicht auf das Empörendste, unter ihren Augen wurden Hunderte ermordet, Esther kannte kein Mitleid und verdunkelte später durch unzählige grausame Handlungen den reinen Glanz, mit welchem die Rettung ihrer gebeugten Landsleute vom Untergange und Verderben sie vorher umgeben hatte.
B.