Fandango

[65] Fandango. Wenn der Abend sich duftig und kühl über Andalusiens Rosmarin und Tym bedeckte Thäler oder Valencia's Blumenebenen lagert und fröhliche Dorfbewohner ihn im geselligen Kreise feiern, dann erklingt bald Gesang, und die Guitarren laden die flinke Jugend zur Sarabanda, dem Bolero oder Fandango, Spaniens reizenden Nationaltänzen. Nur ein Tänzerpaar auf einmal[65] führt den Letztern auf und beginnt im drei Viertel-Tact, anfänglich langsam, sich mit den klappernden Castagnetten begleitend, dann rascher und rascher bis zur lebhaftesten Bewegung, die den Triumph der Liebe bedeuten soll, so wie das mäßige Beginnen ihr erstes Entstehen versinnlicht und die folgende Mimik alle Chancen der Hoffnung, Täuschung, Bitte und Erhörung malt. Immer in Molltönen und daher sanft, schwermüthig und ergreifend wie die meisten Nationalmelodien, es begleite sie die Mandoline oder die Balalaika, bewegt sich die Musik zu diesem von den Spaniern leidenschaftlich geliebten Tanze. Auch die höhern Stände verfehlen nicht ihn auszuführen, und das Volk rechnet es Spaniens gegenwärtiger Regentin, der lebensfrohen Christine (s. d.), zum Verdienste an, ihn zierlich tanzen zu wissen und dadurch Anhänglichkeit an die Sitte ihres zweiten Vaterlandes zu beweisen. Dennoch wollte einst die an ihm Aergerniß findende Geistlichkeit nicht leiden, daß er länger die spanischen Augen, Herzen und Füße ergötze. Der Fandango sollte als unsittlich abgeschafft; doch vorher noch von einem eigens niedergesetzten Gerichte geprüft werden. Die geübtesten Tänzer erschienen, und führten den Tanz so lieblich und reizend aus, daß die Richter vom Zauber der Ausführung hingerissen, erklärten: einen solchen Tanz könne man nicht verbieten, er sei zu schön. Und so wurde Spaniens reizendster Tanz Spaniens lebens, heitern Bewohnern erhalten. Wer ihn nicht selbst in Spanien zu bewundern Gelegenheit hatte, dem wurde er 1834 und 1835 durch die spanische Tänzergesellschaft, welche die bedeutendsten Städte Frankreichs und Deutschlands besuchte, namentlich durch die Kunst der schönen Dem. Serxal und der Mad. Dubinon, in allen seinen üppig-graelösen, sinnlich seelenvollen, liebeathmenden Uebergängen und Verschlingungen zur Anschauung gebracht.

F.

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Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 65-66.
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