[256] Lafontaine, Jean von, der noch jetzt geschätzte französische Fabel- und Episteldichter, wurde zu Chateau-Thierry in der Champagne 1621 geb. Malesherbes Ode auf den Tod Heinrich's IV. weckte sein poetisches Talent. Für das praktische Leben taugte er nicht, denn er vernachlässigte eben sowohl sein Amt, welches er nach dem Tode seines Vaters erbte, wie seine Frau, welche dieser für ihn gewählt. Sorglos und kindlich überließ er sich seinen Freunden und Gönnern, die ihn auf das Großmüthigste unterstützten, nämlich der Herzogin von Bouillon, den Prinzen von Condé, Conti, dem Herzog von Burgund, dem reichen Finanzintendanten Fouquet etc. Zwanzig Jahre lebte er in dem Hause der Frau von Sablières, die ihn wie ein Kind pflegte; denn die Kindlichkeit war eben seine hervorstechendste Eigenschaft. Er existirte in völliger Unbekanntschaft mit der Welt, kannte weder Ruhmsucht noch Ehrbegierde und war für Auszeichnungen und Schmähungen gleich unempfindlich. Als poetische Erscheinung wurde er, hauptsächlich um seiner Persönlichkeit, seiner socialen Verbindungen willen, in seiner Zeit überschätzt; aber seine »Contes,« mehrentheils Nachbildungen franz. Fabliaux und italien. Novellen im Geiste des Boccaccio, sichern ihm ein ehrenvolles Gedächtniß. Unbedeutend sind seine Oden, Lieder und Elegien, aber die Fabeln, welche er meist den lateinischen des Aesop nachdichtete, kennt noch jetzt Jedermann. Er starb als Mitglied der franz. Akademie 1695.
B.