[425] Ludwig XIV., König von Frankreich. Ueber die politische Einwirkung dieses Fürsten auf sein Zeitalter zu sprechen, ist hier nicht der Ort. In wie weit er und sein Hof auf die socialen Zustände, auf die Sittlichkeit namentlich, eingewirkt, erzählt Frankreichs Geschichte; eine nähere Nachweisung findet sich in den Biographien der hier aufgenommenen Geliebten dieses Fürsten, z. B. Fontanges, La Vallière, Montespan, Maintenon etc. Nach unserem heutigen Sittlichkeitszustande, wo die Moral auf dem Throne wie in der Hütte dem Richterspruche der öffentlichen Meinung unterliegt, müssen wir jenes Zeitalter als ein durchaus unmoralisches, das einen großen Theil der nachherigen Gräuel der franz. Revolution verschuldet hat, verdammen. Das Aergerniß ging leider vom Throne und vom Adel, der Blüthe der Nation, aus, kein Wunder, wenn das Volk diesem aristokratisirten Beispiele folgte und das Vergehen auf diese Art eine gewisse Sanctionirung erhielt. »Wo viel Licht ist, ist viel Schatten,« sagt ein[425] Sinnspruch; er kann auch umgekehrt gelten. Dieß verderbte Zeit- alter war zugleich jenes der Blüthe der franz. Literatur, es war die goldene Epoche seiner poetischen Thatkraft. Ludwig's Munificenz, sein und seiner Umgebung rege Theilnahme fesselte die ersten Geister der Nation an den Thron, weckte schlummernde Talente, belohnte die Verdienstvollen, spornte die Begabten. In den Zeitraum von wenigen Jahren drängen sich eine Menge von unsterblichen Namen zusammen. Ludwig's Verdienst an dieser gemeinsamen Manifestation großer Geister ist nicht gering. Er schuf sie nicht; aber er gab ihnen, wie der Pflanze, Luft, Regen, Sonnenschein; er erkannte und pries ihr Verdienst und adelte es so gewissermaßen vor dem Throne; nach ihm erkannte und pries es auch das Volk, ja ganz Europa. Freilich mußte dem Talente auch die Fähigkeit der Schmeichelei beiwohnen. Wir nennen von den berühmten Männern jener Zeit nur einen Descartes, Dacier, Flechier, Fénélon, Bossuet, Bayle, Pascal, Corneille, Racine, Molière, Boileau, Lafontaine etc. Ludwig wurde 1638 geboren und starb den 1. September 1715. Seine Zeit nannte ihn den Großen vier Mal stand er bewaffnet dem ganzen übrigen Europa gegenüber, aus zahlreichen Schlachten ging er triumphirend hervor, nur Eugen und Marlborough besiegten ihn später zuweilen. Er hatte Frankreich zur größten europäischen Macht erhoben, seine Grenzen erweitert, in Handel und Manufaktur einen ungeheuern Umschwung gebracht; er hat aber auch die Kräfte des Landes vergeudet, den Schatz erschöpft, durch das Edikt von Nantes sein Andenken besudelt, sein Volk demoralisirt und den Brennstoff gesammelt, an welchem sich der Vulkan der franz. Revolution 70 Jahre später entzündete. Die unparteiische Geschichte nennt ihn einen Mann von nur mittelmäßigen Talenten aus Hochmuth und Ehrgeiz erregte er blutige Kriege. Nur der Ruhm, welchen er an seine Waffenthaten knüpfte, versöhnte die Franzosen mit der Unmoralität seines Lebenswandels. Unter seinem Nachfolger, Ludwig XV., blieb[426] die Unsittlichkeit und der militairische Ruhm schwand. So mußte endlich Ludwig XVI. büßen, was seine beiden Vorfahren verschuldet. »Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.«
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