Handel

[154] Handel. Man könnte den Handel die Blutcirkulation der Industrie eines Volkes, ja aller Völker, nennen. Er gibt den Maßstab für die Kultur; denn je höher die Kultur, nicht nur die des Bodens, sondern auch die technische und scientifische, desto bedeutender ist der Handel, desto größer der Umschwung des Verkehres. Völker, durch Meere und Gebirge von einander getrennt, tauschen die Erzeugnisse ihres Bodens und Klima's oder ihrer Kunstfertigkeit gegenseitig aus. Die Produkte einer Zone sollen das Gemeingut aller werden, die Völker einander als Brüder betrachten, da Einer wechselseitig des Andern Bedürfnisse, gleichviel ob der Nothwendigkeit oder des Luxus stillt. Schiffe durchkreuzen alle Meere, über Eisfelder und durch glühende Sandwüsten dringen Caravanen, in die Wälder und Schneesteppen der nördlichsten Zone dringt der Kanadier und Kamtschadale, auf den Boden des indischen Oceans versenkt sich der Perlenfischer, wie der Bergmann in die Gold-, Diamanten- oder Salzgruben –: alle um Gegenstände des Handels zu erringen und sie an Handelsleute entfernterer Gegenden entweder gegen Geld oder Austausch anderer Waaren zu überlassen. – Den stärksten Handel treiben Franzosen und Engländer, Holland und Nordamerika; schon ihre Lage an der See erleichtert den Verkehr. – Unsre meisten geographischen, statistischen und ethnographischen Kenntnisse verdanken wir größtentheils Handelsexpeditionen. Karthager, Phönizier und Griechen eröffneten mit kühnem Geiste diese Bahn, ihnen folgten die Araber im Mittelalter, Portugiesen, Spanier, Holländer unternahmen nach einander Entdeckungsreisen aus Handelszwecken, später England, Frankreich, Rußland. Letzteres dehnte seine Forschungen bis nach Kamtschatka aus. (S. d. Art. Entdeckungsreisen.) Und so verkehrt denn der Neger Afrika's mit dem Berber, dieser mit dem Türken und Christen, der Perser mit dem Russen und Engländer, der Chinese mit Letzterem, der Lappe mit dem Schweden, der Däne mit Grönland, fast alle Kauffahrtei treibende Staaten Europa's mit [154] Nordamerika, Brasilien, dem Cap und den Antillen. Aus dem tiefsten Norden bringt der Kamtschadale, der Tschutschke, der Sibirier, der Tatar seine Erzeugnisse und Naturprodukte auf russische Handelsplätze. Auf den Messen im mittelsten Europa erscheinen nicht selten Perser, Türken, Armenier, Juden aller Zonen tausend und verkaufend. Was uns zur Nahrung, zum Nutzen und zum Luxus dient, ist häufig aus den verschiedensten Zonen herbeigeholt. Während uns die Inseln Ostindiens Gewürze senden, liefern wir den Capbewohnern getrocknete Pflaumen, für rohe Baumwolle, Kaffee und Zucker der Antillen tauschen wir Erzeugnisse unserer Manufakturen aus. Der afrikanische Wilde gibt uns Gold und Elfenbein, der amerikanische Pelzwerk; beide erhalten dafür Glaskorallen, gewebte Zeuge, Messer, Nadeln, Eisenwaaren aller Art. Wir holen uns Rosenöl, Kaschmirshawl's, Korallen, Hermelins, indische Vogelnester, Bernstein, Thee, Chinarinde, Eiderdunen, Bisam, Naphta, Farbehölzer, Weine, edle Früchte, bunte Prachtfedern etc. aus allen Breitegraden und schwelgen im Besitze solcher Seltenheiten. – Man theilt den Handel im Allgemeinen in Land- und Seehandel ein. Der Erstere zerfällt in Flußschifffahrt, Achsentransport und Karavanenhandel; Letzterer kann als Küsten- und Welthandel unterschieden werden. Man hat Chausseen und Commercialstraßen, Eisenbahnen, Canäle, Tunnel etc. angelegt, um den Landtransport zu erleichtern und zu beschleunigen. Tausende von Dampfmaschinen sind in Bewegung, um Wagen und Schiffe für den Handel zu treiben. Um dem Handel einen großen Umschwung zu geben, haben sich, da zu bedeutenden Unternehmungen und Speculationen die Kräfte eines Einzelnen nicht hinreichen, Handelsgesellschaften gebildet, die oft ungeheuere Resultate lieferten, wir erwähnen hier nur der Hansa (s. d.), der oft indischen Compagnie, der rheinisch-westindischen etc.; der deutsche Zollverein selbst ist nur ein großartiges Institut zur Belebung des Handels, zur Erleichterung des merkantilischen[155] Verkehrs aller deutschen Völkerschaften. – In Folge des Handels entstanden Banken (s. d.), Meßplätze, Stapelplätze, Assekuranzen (s. d.), und hundert andere merkantilische, industriöse Vereine, Associationen und Institute.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 154-156.
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