May, Sophie

[155] May, Sophie, eigentlich Friederike Elise Mayer, eine beliebte deutsche Romandichterin, war die Tochter des geheimen Medicinalraths Dr. Mayer in Berlin und daselbst um 1775 geb. Ihr äußeres Leben ist arm an denkwürdigen Ereignissen. Sie erhielt mit ihren Geschwistern eine sorgfältige Erziehung im elterlichen Hause, erwarb sich im Umgange mit geistreichen Männern und Frauen eine vielseitig ausgezeichnete Bildung, war mehrerer neueren Sprachen vollkommen mächtig, zeichnete, malte in Kreide und Oel, und verschönerte durch ihren gefühlvollen declamatorischen Vortrag manches Familienfest, manchen sinnigheiteren Cirkel. Trotz vieler Bewerbungen blieb Sophie auch nach dem Tode ihrer Eltern unverheirathet; ihr bescheidener, allen Ansprüchen fremder Sinn gefiel sich am liebsten in dem von ihr gebildeten Kreise gleichgestimmter Freunde und Freundinnen! Bescheiden wie im Leben war sie es auch in der Literatur und verbarg ihre zahlreichen Schriften unter der Pseudonyme Sophie May bis an ihren Tod. Von ihren Originalarbeiten nennen wir: »das edle Haus Sture,« »die fürstl. Frauen der Vorzeit,« »die Felsenburg von Stormcliff« und zahlreiche, in Taschenbüchern und Zeitschriften zerstreute Novellen und Erzählungen, welche später in einer Gesammtausgabe erschienen sind. Letztere Gattung der Dichtkunst sagte ihrem Talente am meisten zu. Nicht daß sich Sophie May's Dichtungen durch großartigen Schwung der Phantasie oder eine hervorragende Originalität auszeichneten; sie machen sich geltend durch klare, einfache Handlung, sichere Charakteristik, gefällige Darstellung, Einfachheit, Wärme des Gefühls und einen Adel der Gesinnung, welcher sich in dem Herzen der Dichterin selbst spiegelte. Sie hat der gefühlvollen Leserin gewiß manche Thräne entlockt und manche Anschauung des Lebens, manche Wahrheit,[155] manche Sittlichkeitslehre in das verschönernde Gewand der Romantik gekleidet. Alle diese Eigenschaften machten sie auch eine geraume Zeit zur Lieblingsschriftstellerin ihres Geschlechtes, in dessen Herzen ihr Gedächtniß nicht so bald untergehen dürfte. Auch hat sie eine zahlreiche Serie W. Scottscher Romane mit sichtlicher Vorliebe für das Original in unsere Sprache übertragen. – Der 15. Juli 1827 war ihr Todestag.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 155-156.
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